„Wir hatten die Schnauze voll“

■ Wie Ausländerfeindlichkeit entstehen kann / Asylwohnheim heillos überbelegt

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DasMobiliar der Asylbewerber wird geräumtFoto: Steinberg

„Ich gehöre nicht in die braune Ecke, ganz im Gegenteil“, sagt Uwe Haupt, Bewohner der Meyerstraße in der Neustadt. Im Mai dieses Jahres hat er eine Unterschriftenaktion organisiert, um gegen Krach, Dreck und Rauschgifthandel im gegenüberliegenden Haus Meyerstraße 99 zu protestieren. Haupt: „Daß es bei 27 Leuten in einem Haus Probleme gibt, ist klar — daß unser Protest Ausländer trifft, ist bedauerlich.“ Jetzt wird das ehemalige Übergangswohnheim für Asylsuchende renoviert, die AfrikanerInnen und Kurden sind von der

Bremer Sozialbehörde woanders untergebracht worden.

„Die Schwarzen waren sauber gekleidet und haben immer freundlich 'Guten Tag‘ gesagt“, erzählt eine ältere Dame im Rollstuhl, die in der Nachbarschaft des ehemaligen Übergangswohnheims lebt. „Gegen Ausländer habe ich nichts. Da drüben wohnt ein Ehepaar aus Afrika, mit denen gibt's überhaupt keine Probleme.“ Ein Mann Anfang zwanzig kann sich nicht erinnern, in seiner Straße jemals den Ausspruch „Scheiß-Schwarze“ oder „Nigger“ gehört zu haben.

Trotzdem haben über 100 BewohnerInnen der Meyerstraße Uwe Haupts Protestliste unterschrieben. „Ich hätte nicht nebenan wohnen wollen“, sagt ein WG- Bewohner von der anderen Straßenseite. „Die haben ständig ihre Partys abgezogen. Es war tierisch laut.“ Und die Dame im Rollstuhl: „Die Ratten liefen bei uns schon über den Hof, weil die Schwarzen ihre Lebensmittelreste aus dem Fenster geworfen haben.“ Überall sind in der Meyerstraße die gleichen Beschwerden zu hören: Das Übergangswohnheim zeichnete sich durch Dreck, Gestank und Lärm aus — und durch Rauschgifthandel. Mehrmals war die Polizei im Haus und beschlagnahmte dabei auch Heroin. Durch den Verkauf besserten sich die Asylsuchenden, die nicht arbeiten dürfen, ihr schmales Sozialhilfe-Gehalt auf.

Uwe Haupt: „Wir haben uns für eine vernünftige Unterbringung der Ausländer eingesetzt. Wenn nur zehn Leute in dem Haus gewohnt hätten, wäre das für uns erträglich gewesen. Aber so hatte ich die Schnauze voll.“ In den Unterlagen der Sozialbehörde habe er mit eigenen Augen gesehen, daß 27 Personen in der Meyerstraße 99 Sozialhilfe bezogen. „Macht 2,7 Quadratmeter pro Person“, rechnet er vor, „kein Wunder, daß die dabei aggressiv werden.“

Die von den AnwohnerInnen mehrmals zu einer Verbesserung der Unterbringung aufgeforderten Behörden bestreiten die Überbelegung. Uwe Gehlhaar von der städtischen Wohnungshilfe: „Wir haben 14 Asylsuchende in die Meyerstraße 99 eingewiesen.“ Im übrigen sei es niemandem verwehrt, Besuch zu empfangen, so Gehlhaar. Hans Leppin vom Amt für Soziale Dienste kann sich vorstellen, daß mehr als 14 Leute in dem Haus gewohnt und Sozialhilfe bekommen haben, „ohne daß das bei uns aufgefallen ist“.

Für den Hausbesitzer war die Belegung durch das Sozialamt ein lukratives Geschäft. Ungefähr 19 Mark pro Kopf und Nacht hat er vom Land Bremen bekommen. Macht bei 14 Personen knapp 8.000 Mark Miete pro Monat. Durch die Vermietung an weitere Personen hätte er den Profit, den sein kleines Haus abwarf, noch erheblich steigern können.

Nicht alle Leute in der Meyerstraße können trennen zwischen den miesen Wohnverhältnissen, unter denen die Asylsuchenden leben mußten, und den fremdländischen Menschen, die da in ihrer Nachbarschaft wohnen. „Du findest richtige Rassisten in den Häusern nebenan“, meint eine Ladenbesitzerin. Und auch Uwe Haupt glaubt diejenigen zu kennen, „die die Mistgabel hinter der Türe stehen haben“. Hinter vorgehaltener Hand wird davon berichtet, daß nachts einige Deutsche ihren Sperrmüll vor das Übergangswohnheim gestellt und sich am nächsten Tag über den Dreck beschwert hätten.

Bei der Wahl am Sonntag hat die ausländerfeindliche Deutsche Volksunion einen Sitz im Beirat der Neustadt erobert. DVU-Kandidat Karl-Heinz Vorsatz meint, daß „wegen der Neger“ manche Leute schon unter Angstträumen zu leiden hätten.

Hannes Koch