: Kapieren, was hier anders ist
■ Lagerhaus Schildstraße startet Projekt gegen Ausländerfeindlichkeit
„Wenn ein Fremder einen Bekannten hat, so kann ihm dieser Bekannte zuerst fremd gewesen sein. Aber durch das gegenseitige Bekanntwerden sind sich die beiden nicht mehr fremd“, schrieben Karl Valentin und Liesel Karlstadt 1940. Wie schwierig der Abbau von Vorurteilen in der Praxis ist, davon können die MitarbeiterInnen der Kinder-und Jugendinitiative Schildstraße sowie der Kurdische Arbeiterverein ein Lied singen. Seit 10 Jahren versuchen sie, Freizeitbedingungen zu schaffen, in denen ausländische und deutsche Jugendliche ihr gegenseitiges Mißtrauen abbauen.
Jetzt startet das Bremer Lagerhaus, vor dem Hintergrund der DVU-Erfolge und wachsender Ausländerfeindlichkeit, ein „Projekt zum Abbau der Ausländerfeindlichkeit bei Jugendlichen“. Gefördert wird die Maßnahme mit zwei Dreiviertel-Stellen für Pädagogen und einer halben Verwaltungskraft vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, als eines von bundesweit zwei Projekten dieser Art.
Geplant ist in den nächsten zwei Jahren unter anderem eine gemischte Tanzgruppe, wo etwa 16 Interessierte gemeinsam kurdische Tänze einüben. „Das größte Problem sind meist Mißverständnisse, die wegen der Sprachbarrieren entstehen“, ist die Erfahrung von Ercan Arslan. Er lebt als Kurde in Bremen und hat schon einige dieser multikulturellen Tanzkurse geleitet. Bei dem Projekt will er wieder dabei sein. „Oder die ganz verschiedenen Sitten. Einmal hatten wir einen kurdischen Jugendlichen“, erinnert sich Arslan, „der gerade erst aus Kurdistan kam. Der hat einige Probleme gemacht, weil er es unanständig fand, daß hier die Mädchen in die Disco gehen. Da mußten wir neben dem Kurs endlos diskutieren bis er kapiert hat, was hier anders ist.“
Aber auch die deutschen TeilnehmerInnen hätten beim Tanzen meist dazugelernt. „Die haben ganz eifrig nachgeforscht, was die Tänze bedeuten und warum sie entstanden sind“, erzählt auch Mehmet Behzatogln, ebenfalls Mitarbeiter des Projektes. Viele dieser Tanzgruppen hätten „sowas wie deutsch-kurdischen Tanz entwickelt".
Auch nach der Wahl sei die Annäherung in kleinen Schritten das wichtigste, um dem Rechtsradikalismus entgegenzutreten“, betont Ulli Bade vom Kinderhaus Schildstraße. „Vielleicht dient ja das Schockerlebnis auch dazu, daß unsere Arbeit noch ein Stück vorankommt.“ Die angebotenen Kurse, in denen gemeinsam Kochen, Nähen, Sprachen und Tänze gelernt werden können, beginnen am 7.Oktober. „Wir setzen dabei auf den Muliplikatoreneffekt und hoffen, daß die Jugendlichen ihre Erfahrungen auch in andere Bereiche hineintragen“, sagt Ulli Bade. bz
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