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»Lesbische Nuntia aus dem Vatikan«

■ Schwule Sozialdemokraten luden zur Diskussionsveranstaltung »Traumziel Standesamt?« ein/ Bundestagsvizepräsidentin Renate Schmidt (SPD) hat nicht »das leiseste gegen die Homo-Ehe«

Charlottenburg. Lovely Rita darf sich freuen: ihre Stellvertreterin Renate Schmidt (SPD), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, hat »nicht das leiseste gegen die Homo- Ehe«. Das jedenfalls bekundete sie auf der Diskussionsveranstaltung »Traumziel Standesamt?«, zu der die Berliner Schwusos (Schwule Sozialdemokraten) eingeladen hatten. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) hatte Anfang August in einem 'Bunte‘-Interview gefordert, daß homosexuelle Paare in der Besteuerung und im Hinterbliebenenrecht nicht benachteiligt sein sollten. Unionspolitiker hatten sie daraufhin scharf angegriffen.

»Die Homo-Ehe bewegt die Menschen in der Bundesrepublik im Moment allerdings nicht«, schränkte Schmidt ein. Größere Chancen sehe sie deshalb für eine Art »notariell registrierter Partnerschaft«, in der zwei Menschen füreinander sorgen. Die Förderung solcher Gemeinschaften solle nicht davon abhängen, ob die PartnerInnen eine sexuelle Beziehung zueinander hätten, so die Parlamentsvizepräsidentin. Die Gleichstellungs-Ministerinnen der SPD-regierten Länder hätten bereits eine entsprechende Änderung im Artikel 6 einer zukünftigen Verfassung angeregt: Neben Ehe und Familie sollen darin zukünftig auch »auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften« geschützt werden.

»Vor allem geht es um die Konstruktion des Verwandtschaftsverhältnisses durch die Ehe«, betonte ein Zuhörer. Solange der gleichgeschlechtliche Lebenspartner vor dem Staat nicht als »nächster Angehöriger« zähle, seien die Folgen weitreichend: ein schwuler Mann darf in manchen Fällen seinen sterbenden Freund nicht auf der Intensivstation besuchen. Eltern, die von ihrem schwulen Kind nichts wissen wollen, erben eher als der oder die LebenspartnerIn. Zeugnisverweigerung, Adoption oder die Berücksichtigung von Partnerschaften bei der Studienplatzvergabe sind weitere Bereiche, in denen homosexuelle Partner diskriminiert werden. In Ost-Berlin seien 50 Prozent der Kinder unehelich, sagte eine Zuhörerin. Die besondere Förderung der Ehe gehe daher mittlerweile an den Kindern vorbei. »Ich werde mich dafür einsetzen, daß der Tatbestand Ehe nicht zu weiteren Förderungen führt«, versprach Renate Schmidt. Ein Hamburger Journalist und Theologe wünscht sich dennoch eine »richtige Ehe« für die Homos. Denn die könne nicht so leicht außer Kraft gesetzt werden, wenn es — wie in England — zu einem »Rollback« gegen die Homosexuellen kommen sollte. Sein Traumziel sei allerdings nicht der Traualtar, sondern »ein schwuler Bundespräsident, mit einem schwarzen Freund, der eine lesbische Nuntia aus dem Vatikan empfängt«. Marc Fest

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