STEFANHÖRDUR GRIMSSON

Geboren auf Island 1919 oder 1920, man weiß es nicht so genau, hat Stefán Hördur Grimsson lange Jahre als Seemann gearbeitet. Sein erster Gedichtband (Das Fenster öffnet gen Norden, 1946) wurzelt noch ganz in der Erfahrungswelt eines Dorsch- und Heringfängers und bleibt der Motivik einschlägiger Seemannslieder und traditioneller Metrik verhaftet. Erst 1951, mit seinem zweiten Gedichtband, macht er sich von der Formtradition los, vertraut dem Rhythmus seiner leisen Sprache und erfindet eine eigenwillige Metaphorik. Die Gedichte Fangleinenboot und Das Auto, das bei der Lichtung bremst zeigen diese Entwicklung auf. Es ist diese zweite Sammlung, Schwarzelfentanz betitelt, die Grimsson in Island bekannt machte. Doch führte er weiterhin ein äußerst zurückgezogenes Leben, am Rande des Schweigens, ohne erkennbaren Wunsch nach gesellschaftlichen Kontakten. Erst 19 Jahre später legte er seinen nächsten Gedichtband (Die Seite der Ebene) vor, ein schmales Buch von nur sechzehn Gedichten, die seiner Skepsis und seinen Ansprüchen offenbar standgehalten hatten. In einem dieser Gedichte, Nachmittag, 1968 geschrieben, versucht Grimsson die Schrecken des Vietnamkrieges in eine atagonistisch verdichtete Bildsprache zu fassen, die unter seinen Lesern auf der eine Viertel Million Einwohner zählenden Insel eine öffentliche Diskussion auslöste.

Es wäre falsch zu behaupten, Grimsson sei von da an ein politischer Dichter im engeren Sinn geworden. Aber politische und soziale Fragen nehmen an Gewicht zu, auch wenn die Beschäftigung mit der Natur thematisch bestimmend bleibt. Sie wird aber nicht mehr als Refugium oder als Quelle der Inspiration begriffen, eher als etwas bereits Verlorenes oder vor dem zerstörerischen Zugriff des Menschen zu Bewahrendes. Auch in den späteren Gedichtbänden werden diese Themen, metaphorisch radikaler und in der Spannung zwischen nordischer, mitunter an Munch gemahnender Expressivität und verknappender Verhaltenheit, fort- geschrieben. 1990 erhielt er den erstmals verliehenen Isländischen Verlegerpreis für Literatur. Joachim Sartorius

Bibliographischer Hinweis: Gedichte von S.H. Grimsson in 'Die Horen‘, Bd. 143:

Island: Wenn das Eisherz schlägt und in 'Neue Rundschau‘ 1/91, die ein Porträt des isländischen Dichters enthält. 1992 wird der Verlag Kleinheinrich einen Band ausgewählter Gedichte unter dem Titel Geahnter Flügelschlag herausgeben und übersetzt von Franz Gislason und Wolfgang Schiffer veröffentlichen.

Alle Gedichte auf dieser Seite sind ebenfalls von Franz Gislason und Wolfgang Schiffer aus dem Isländischen ins Deutsche übertragen.