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Soldatenaufstand in Togo

■ Rundfunkstation in Lomé besetzt: Erste Machtprobe für die junge demokratische Regierung/ Militär wehrt sich gegen Verlust von Pfründen

Berlin (taz) — Die erst einen Monat alte Demokratie im westafrikanischen Togo ist gestern früh knapp einem Militärputsch entgangen. Eine Gruppe junger Offiziere besetzte um sieben Uhr morgens die staatliche Radiostation in der Hauptstadt Lomé.

Über Radio erklärten sie den seit Ende August in Togo regierenden „Hohen Rat der Republik“ (HCR) für abgesetzt. Premierminister Joseph Koffigoh solle im Amt bleiben, den Oberbefehl über die Streitkräfte jedoch an Staatspräsident Eyadema abgeben. Ferner müßten die Armeegehälter erhöht werden. Schon nach vier Stunden jedoch zogen die Soldaten wieder ab.

In der Zwischenzeit wurde deutlich, daß weder im Land noch außerhalb Unterstützung für eine Rückkehr zur Diktatur besteht. Während die besetzte Rundfunkstation Huldigungslieder für Eyadema sendete, kam es in Lomé zu Demonstrationen gegen das Militär. Ausländische Botschaften erklärten, jegliche Hilfe würde gestrichen, sollte der Putsch Erfolg haben. Und schließlich rührte sich der ehemalige Diktator Eyadema, der heute nur noch Staatspräsident ohne politische Macht ist, aus seinem ChÛteau in seinem Heimatdorf Pya und pfiff seine Leute zurück: „Alle Militärs“ sollten „ihre Waffen abgeben und ihre Kasernen aufsuchen“.

Erst Ende August war die jahrzehntelange Alleinherrschaft des Militärdiktators Gnassingbe Eyadema zu Ende gegangen. Eine souveräne Nationalkonferenz hatte ihm einen Großteil seiner Macht entzogen und die Regierungsgewalt einem neuen „Rat“ — dem HCR — übertragen.

Die neue Regierung, an der eine Reihe prominenter Menschenrechtsanwälte beteiligt sind, wurde beauftragt, demokratische Wahlen zu organisieren. Der Oberbefehl über die Streitkräfte ging von Eyadema an Premierminister Koffigoh über.

Der unmittelbare Anlaß für die gestrige Militärrevolte war, so berichten Beobachter in Lomé, materieller Art. Unter Eyadema war die Kontrolle der staatlichen Grenzen für die Streitkräfte ein einträgliches Geschäft: Die Zolleinnahmen — im kleinen Togo, stark von Ein- und Ausfuhren abhängig, einer der größten staatlichen Einnahmeposten — wanderten in die Privatschatullen des Militärs. Unter der Diktatur war dies kein Problem. Doch als die neuen Demokraten die Macht und die Kontrolle über die Armee übernahmen, waren die Tage der Selbstbedienung vorbei.

Premierminister Koffigoh entzog der Armee die Verantwortung über den Zoll, damit die Einnahmen daraus der Regierung zufließen konnten. Das Ergebnis: Schlagartig verlor die Armee einen Großteil ihrer Finanzquellen; die einzelnen Soldaten fanden sich plötzlich nur noch mit dem völlig unzureichenden Sold wieder. Die Putschisten wollten nun der Regierung die Kontrolle über die Streitkräfte wieder entziehen und damit gewährleisten, daß ihre Pfründe auch in Zukunft unangetastet bleiben.

Der Unmut des Militärs hat noch andere Gründe. Eines der Hauptziele der neuen Regierung ist nämlich die Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen, die die Armee während der Eyadema-Herrschaft beging. Auch hier besteht großes Interesse seitens der alten Machthaber, eine Vergangenheitsbewältigung zu verhindern. D.J.

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