: Brandanschlag auf Asylwohnheim
■ Schwachhauser Villa unbewohnbar / 22 Flüchtlinge mußten umziehen / Täter unbekannt
Vor dem Haus in der Schwachhauser Heerstraße 110 hat sich eine kleine Menschentraube gebildet. Das linke Fenster in der ersten Etage, von dem nur einige große Splitter übriggeblieben sind, ist schwarz umrandet, scharfer Geruch von verkohltem Holz hängt in der Luft. „Es war so ungefähr ein Uhr, als ich im Nebenzimmer die Fensterscheibe klirren hörte“, erzählt Sait Gorgülu, der noch immer nicht fassen kann, was passiert ist. Bis gestern Nacht war die beigefarbene Villa für ihn und die 22 anderen Asylbewerber aus Türkisch-Kurdistan, Gambia, der Türkei und dem Iran ein „Zuhause“. „Das Zimmer stand sofort in Flammen und bei uns hat es furchtbar gequalmt. Als ich ans Fenster gegangen bin, habe ich noch gesehen, wie drei dunkle Gestalten weggerannt sind.“ Dann habe er gleich die Polizei angerufen.
Als die Feuerwehr wenige Minuten später eintraf, brannte das zur Zeit unbewohnte Zimmer im ersten Stock bereits lichterloh. Aus vier weiteren Zimmern drang dichter Rauch. Drei Bewohner, die sich nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten, wurden mit Atemschutzgeräten ins Freie gebracht. Die anderen standen bereits fassungslos vor dem Haus. „Ich verstehe das nicht, was die Leute gegen uns haben,“ sagt Gorgülu und senkt den Kopf.
Die Bilanz des Anschlages: Zwei der Asylbewerber erlitten leichte Verletzungen, das Haus ist vorläufig unbewohnbar, der Sachschaden beträgt 100.000 Mark. Die Bewohner wurden noch in der Nacht in ein anderes Heim umgesiedelt.
Nachbarn und Vorrübergehende, die immer wieder neugierig stehenbleiben, sind ratlos. Das sei nun schon der zweite Brandanschlag auf ein Bremer Asylantenheim gewesen, weiß Einsatzleiter Peter Voßmeyer und fügt hinzu: „Ich finde es schlimm, daß die jetzt auch vor Bremen nicht mehr halt machen.“ Auch die Anwohner hatten gehofft, daß es soweit nicht kommen
Am Morgen danach: AnwohnerInnen und Flüchtlinge diskutieren auf der StraßeFoto: Tristan Vankann
werde. „Es ist erschütternd und beschämend, wie man mit den Menschen umgeht“, findet Karl Richert Meier von nebenan. Bis die Löscharbeiten beendet waren, hatte er aus Sicherheitsgründen auf der Straße gestanden: „Mich hat der Anschlag an das Vorgehen gegen die Juden im Dritten Reich erinnert.“
Neben ihm steht Hans Haferkamp, der einige Häuser weiter wohnt. „Das erste, was ich gedacht habe, war: Was wird jetzt aus der persischen Familie, um die wir uns gekümmert haben“, sagt er. „Der Vater hatte schon die ganze letzte Zeit Angst vor solchen Anschlägen und um seine zwei Kinder.“ Deshalb habe er kaum noch das Haus verlassen.
hier bitte das Foto
mit den Menschen vor dem
ausgebrannten Haus
Hintergrund für diese Ängste, waren zahlreiche Proteste, die es in der Vergangenheit gegeben hatte. Für viele Anwohner in Schwachhausen galt das Haus als „Umschlagsort für Drogen“. Besonders Kurden und Schwarzafrikaner waren immer wieder als Dealer verdächtigt worden.
„Wir hatten keine Probleme mit den Asylanten, nur gegen die Dealer und Kriminellen sind wir“, sagt Haferkamp. Und dagegen hätten sich auch die Bewohner in der 110 gewährt. Bis vor kurzem habe ein Schild an der Tür geklebt mit dem Hinweis, hier könne man keinerlei Drogen kaufen, Dealern werde die Polizei auf den Hals gehetzt.
Für den Hausverwalter, der
Angst hat, seinen Namen zu nennen, war der Brandanschlag zu erwarten. „Das ist erst der Anfang, sozusagen die Saat der Gewalt, die jetzt aufgeht“. Die Fremdenfeindlichkeit in dem Nobelbezirk sei bisher nur unter dem Deckmantel der Drogenbekämpfung verborgen geblieben: „Obwohl es seit einem viertel Jahr hier keine Drogen mehr gibt, wurde das immer wieder öffentlich hochgepuscht.“ So sei eine Stimmung erzeugt worden, in der Haß und Gewalt entstehen: „Ich finde es unerträglich in so einem Land zu leben“. Birgit Ziegenhagen
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