: Für eine Handvoll Dollar
Revolverheld Clint Eastwood in Western von Sergio Leone auf SAT 1 ■ Von Harald Keller
Der hagere, groß gewachsene Schauspieler hatte Drehpause und zog sich in den Schatten zurück. Er hockte sich in eine Ecke und war schnell eingenickt. Der Regieassistent ließ ihn gewähren. Er wußte, daß der Amerikaner mit den bedächtigen Bewegungen und der unglaublichen Gemütsruhe auf Zuruf hellwach sein und seinen Text parat haben würde.
Der Amerikaner war nach Italien gekommen, um die Hauptrolle in einem Western zu übernehmen, sein erster großer Kinopart. In diversen Nebenrollen, wie in Jack Arnolds Tarantula, war der 34jährige schon auf der Leinwand gewesen. Doch ob seine Mitwirkung jemandem aufgefallen war, ist fraglich. Seinen Lebensunterhalt sicherte sich der vormalige Holzfäller und Schwimmlehrer durch Mitwirkung in der Westernserie Raw Hide, in der er zur Stammbesetzung gehörte. In dieser nicht gerade aussichtsreichen Situation war es ein netter Gedanke, für 15.000 Dollar Gage nach Italien zu fliegen, um einen Lowest-Budget- Western zu drehen.
Der Amerikaner und sein italienischer Regisseur verstanden sich trotz der trennenden Sprachbarriere glänzend. Der Gast aus Hollywood brachte seine Ideen ein und wurde in den Ankündigungen des Films sogar als „Western consultant“ aufgeführt. Der Regisseur paßte die von ihm entwickelte Figur des verschlossenen Revolvermannes dem Charakter seines Darstellers an. Als schweigsamer „Mann ohne Namen“ ging er in die Filmgeschichte ein und machte Clint Eastwood nicht allein zum Star, sondern zu einem amerikanischen Monument.
Für eine Handvoll Dollar hieß dieser Film, mit dem Sergio Leone den angeknacksten Ruf des abfällig „Spaghetti-Western“ geschimpften Genrefilms italienischer Machart wiederherstellen sollte. Das in Zusammenarbeit mit Duccio Tessari und Victor Catena binnen drei Wochen erstellte Skript war ein Derivat des japanischen Samuraifilms Yojimbo, die Übereinstimmungen so gravierend, daß dessen Autoren Akira Kurosawa und Ryuzo Kikushima später mit 15 Prozent an den weltweiten Einnahmen beteiligt werden mußten und die Exklusivrechte für Japan, Taiwan und Süd-Korea bekamen. Charles Bronson, der ursprünglich neben James Coburn und Henry Fonda zu Leones Wunschkandidaten für die Hauptrolle gezählt hatte, hielt es für das schlechteste aller ihm je vorgelegten Drehbücher. Er änderte seine Ansicht, nachdem er den fertigen Film gesehen hatte... Dieser billig erstellte Film, der im spanischen Almeria in halbverfallenen Kulissen einer früheren Produktion gedreht worden war, entwickelte sich zum Kassenknüller und wurde stilbildend für das Genre. Mit der Figur des undurchsichtigen Schweigers installierten Eastwood und Leone einen Archetyp, dessen Nachkommen noch in den zeitgenössischen Cop- und Actionfilmen zu finden sind. Eines der Merkmale dieses „Mannes ohne Namen“ war, neben Poncho und Sechs-Tage-Bart, das Zigarillo, sehr zum Unwillen des Nichtrauchers Eastwood. Vor der Fortsetzung Für ein paar Dollar mehr drängte er den Regisseur, auf das Requisit verzichten zu dürfen. Aber Leone ließ sich nicht darauf ein. Später mochte Eastwood den Stumpen nicht mehr missen: „Sie brachten mich in die passende Stimmung — etwas benebelt...“
Für eine Handvoll Dollar gehört zu einer Sergio-Leone-Reihe auf SAT 1. Zusammen mit Für ein Paar Dollar mehr und Zwei glorreiche Halunken bildet der Film die „Dollar- Trilogie“, die mit Spiel mir das Lied vom Tod einen Kontrapunkt bekommen sollte.
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