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Zuschauerpleite aus Geldgier

■ Hansa Rostock-FC Barcelona 1:0 (0:0)/ Der Deutsche Meister (Ost) rehabilitierte sich vor halbleeren Rängen für die blamable Hinspiel-Vorstellung in Barcelona/ Dreiste Eintrittspreise

Rostock (taz) — Wenn den Würdigsten Ruhm und Ehre gebühren, so müßte schon jetzt dem FC Barcelona der Europapokal der Landesmeister zuerkannt werden. Wohl selten hat ein unangefochtener Gewinner den hoffnungslos Unterlegenen so souverän, eben würdevoll, die diskrete Möglichkeit gegeben, das Gesicht zu wahren und gar noch mit einem großen Trost beschenkt zu werden.

Welcher darin bestand, daß die Kicker des FC Hansa Rostock den berühmten katalanischen Klub im heimischen Ostseestadion mit 1:0 bezwingen durften. Und dieser Sieg war beileibe kein Almosen, von den Rostockern schwer erarbeitet und sicherlich verdient. Nur hielt der spanische Meister seine wahre Klasse ein wenig bedeckt.

Zuallererst und am deutlichsten drücken sich die Welten, die beide Vereine trennen, bei den Trainern aus. Für die Gäste schritt kein Geringerer als Johan Cruyff wahrhaft königlich im feinen Zwirn zur Trainerbank, in Vorfreude auf das Spiel mit spitzbübischem Lächeln pfeifend. Wozu er genügend Gründe besaß. Wohl noch immer von der Finalniederlage bei der WM 1974 geplagt, hatte er vor dem Hinspiel in Barcelona gewarnt, daß es nicht sonderlich angenehm sei, gegen deutsche Mannschaften anzutreten. Was sich als glatte Untertreibung erwies. Schließlich spielten seine Schutzbefohlenen den einen der deutschen Meister so über alle Maßen schwindelig, daß dieser sich froh über das glimpfliche 0:3 wieder Richtung Ostsee davonmachte.

Und von dort wild entschlossen Optimismus herauskrähte. „Wir wollen alles versuchen“, versprach Trainer Uwe Reinders, und zumindest eine Halbzeit taten seine Spieler wie befohlen. Er selbst, wie gewohnt, das ganze Spiel über. Laut und zappelig bis zur Erschöpfung zumindest der Stimmbänder, daher wohl auch der Trainingsanzug als gewählte Kleidung. Nur diese unsäglich alberne Baseballkappe versaut den angenehm kumpeligen Eindruck. Derweil thront nebenan König Johan ruhig und aufmerksam.

So ruhig, wie es meist im Stadion war. Denn nur 8.500 Fans waren gekommen, um die noch ungekrönten Häupter des europäischen Fußballs zu bestaunen. Ein wahrer Fall von Majestätsbeleidigung, doch lag die Schuld eindeutig nicht beim Volk, sondern beim Präsidium des FC Hansa. Unglaubliche Preise von 40 bis 100 DM sollten bezahlt werden, angesichts der wirtschaftlichen Situation vieler Menschen in Rostock eine ungeheure Frechheit. Die kurzfristig am Spieltag verkündete Halbierung der Preise wirkte denn auch mehr wie Hohn auf die Fans. Kein Wunder, daß sich die Spanier eher heimisch fühlen mußten, sorgten doch Dutzende von mitgereisten Journalisten mit ihrem unablässigen Stimmgewirr für gewohnte Atmosphäre.

Was wohl auch die Hansa-Spieler an die erste Begegnung erinnert haben muß. Genau so ängstlich und zurückhaltend verschenkten sie die erste Halbzeit gegen einen Gast, der gerade so viel tat, daß er nicht der Überheblichkeit geziehen werden konnte, und so wenig, daß die meist an der Außenlinie stehenden Stoitschkow und Salinas nur selten Torhüter Daniel Hoffmann den Atem stocken ließen.

Ebenso verzichteten Laudrup und Witschge diesmal auf jegliche Tanzeinlagen, Goikoetxea durfte aus Höflichkeit gleich draußen bleiben. Nur einer konnte wohl nicht besser, Ronald Koeman. Eh nicht der Beweglichste, überschritt er kein einziges Mal die Mittellinie, lief seinen Gegenspielern permanent hinterher, und stand regungslos daneben, als Spies mit wunderbarem Flugkopfball den entscheidenden Treffer erzielte. Und in der letzten Viertelstunde, als Hansa alles wagte, um vielleicht doch noch das Unglaubliche zu schaffen; nun, da war gar nicht mehr sicher, ob Barças höfliche Zurückhaltung in ihrer Absicht lag. Schmiernik

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