Hongkong will wieder Boat people deportieren

 ■ Aus Hongkong Stephen Vines

Zwei Jahre nachdem die Hongkonger Kolonialregierung 51 vietnamesische Boat people in einer Nacht- und-Nebel-Aktion ins Flugzeug setzte und nach Hanoi deportierte, steht ein neues Abkommen zwischen Hongkong und Vietnam über eine beschleunigte Rückführung der Boat people aus Hongkong unmittelbar bevor.

Britische und Hongkonger Regierungsvertreter haben bestätigt, daß ein Rahmenabkommen bereits steht. Nun werden, so heißt es, letzte Verhandlungen zwischen London und Washington geführt — bislang hatte die US-Regierung jegliche Pläne zwangsweiser Repatriierung von Vietnamesen abgelehnt.

Unter der neuen Vereinbarung könnten bis zu 59.000 vietnamesische Boat people aus Hongkong deportiert werden. Das betrifft jene Vietnamesen, die seit Mitte 1988 in Hongkong gestrandet sind und keinen Flüchtlingsstatus erhielten. Sie haben als „Wirtschaftsmigranten“ keine Chance auf Aufnahme in ein Drittland. Nachdem die Deportation der 51 Vietnamesen im Dezember 1989 internationale Empörung entfacht hatte, blieben bislang weitere Zwangsrückführungen aus.

Das jetzt erarbeitete Abkommen wird wohl, da die vietnamesische Regierung den Begriff „Zwangsrepatriierung“ ablehnt, als „geordnete Rückkehr“ vorgestellt werden.

Bislang sind über 10.000 Boat people in einem „freiwilligen Repatriierungsprogramm“ unter der Ägide des UN-Flüchtlingskommissariats zurückgekehrt.

Obwohl sich die Nachricht über das erwartete neue Abkommen gestern in den überfüllten Internierungslagern verbreitete, gab es keine Berichte über Unruhen. Graham Barnes, der Chef der Hongkonger Kolonialverwaltung, begrüßte das Abkommen, warnte aber vor zu hohen Erwartungen, daß damit das Problem der Boat people in Hongkong gelöst werden würde. Unterdessen sind die Kolonialbehörden hektisch beschäftigt mit der Frage, wie dieses Abkommen umgesetzt werden soll. Es wird erwartet, daß die Vietnamesen in mehreren Etappen per Flugzeug zurückgebracht werden. Die Deportationen sollen mit einem „Minimum von Gewalt“ erfolgen.

Andere Länder in Südostasien, die vorübergehende Aufnahmelager für vietnamesische Boat people haben, werden wahrscheinlich ähnliche Vereinbarungen mit Hanoi abschließen, wenn sich das Hongkonger Vorbild als durchführbar erweist.

Die britische Vorreiterrolle in diesem Zusammenhang hängt damit zusammen, daß Hongkong mehr Boat people aufgenommen hat als alle anderen Länder zusammen. In diesem Jahr sind fast alle, die aus Vietnam geflüchtet sind, in Hongkong gelandet.