: „Game over“ für die Game Show?
Bei uns bevölkern die TV-Spiele-Reihen zunehmend die Bildschirme — in ihrer amerikanischen Heimat gilt das Genre längst als „mega-out“ ■ Von Gerd Hallenberger
Von Amerika lernen, heißt siegen lernen, dachten sich erst vor wenigen Jahren die neuen privaten Programmanbieter in der Bundesrepublik und führten die konsumorientierte Game Show amerikanischen Stils ein. Dort hatte sich die nur 30 Minuten lange, täglich ausgestrahlte Game Show mit werbewirksam inszenierten, teuren Sachpreisen über viele Jahre als echter Fernsehhit erwiesen. Solche Shows waren preiswert zu produzieren — läßt sich doch eine einmal angefertigte Standardkulisse über Jahre verwenden. Das Publikum blieb den TV-Spielen mit hohen Einschaltquoten treu. Dank der der vielfältigen Werbemöglichkeiten klingelten bei den Sendern die Kassen. Die Erfolge von Glücksrad und Der Preis ist heiß bestätigten dann auch hierzulande prompt die Gültigkeit dieses Rezepts.
Am US-amerikanischen Game- Show-Himmel sind dagegen inzwischen schwarze Wolken aufgezogen. Die Fachpresse spricht von der schlimmsten Krise der Fernsehgeschichte, im Insider-Blatt 'Variety‘ wird sogar über das völlige Ende der Game Shows in den Programmen der Networks ABC, CBS und NBC spekuliert. Schon heute haben ABC und NBC alle Game Shows aus dem Tagesprogramm verbannt, und auch die unabhängigen TV-Stationen halten sich beim Einkauf von Game Shows merklich zurück. Selbst Wheel of Fortune (hier als Glücksrad bekannt), die erfolgreichste Game Show aller Zeiten, wurde von NBC im Tagesprogramm abgesetzt. Nur CBS hält noch an gerade zwei Game Shows fest — The Price is Right (Der Preis ist heiß) und Family Feud. Letztere Show gibt es hierzulande noch nicht, wird aber bald auch hier über die Bildschirme flimmern.
Die Lage für die Game-Show- Branche in den USA ist ernst — offenbar haben sich viele Zuschauer an Game Shows sattgesehen und wollen nun etwas anderes: Der aktuelle Trend heißt „Reality Programming“, Talk Shows, Interviewsendungen und Berichte über Sensationen und Skandale. Aber das ist nicht allein Ursache der Krise. So berichtet in 'Variety‘ ein NBC-Sprecher, daß der Hauptgrund, Wheel of Fortune aus dem Programm zu nehmen, nicht die Größe, sondern die Zusammensetzung der Zuschauerschaft war. Sie war im Durchschnitt zu alt und deshalb für die Werbung uninteressant. Verfügen doch ältere Menschen in der Regel über ein geringeres Einkommen als jüngere. So rauh waren die Sitten beim kommerziellen Fernsehen schon immer: In den 60er Jahren wurde das US-Vorbild von Was bin ich? aus dem gleichen Grund gestrichen — die Reihe hatte bei den „falschen“ Zuschauern die „richtigen“ Einschaltquoten.
Das jüngere Wheel of Fortune- Publikum ist in den letzten Jahren vor allem zu den Kabelkanälen abgewandert. Ein Faktor, der in den USA bedeutsam ist: Ende 1990 waren fast 60 Prozent aller amerikanischen TV- Haushalte verkabelt. Doch die Kabelstationen zeigen aus einem anderen Grund kaum Interesse an Game Shows: Diesen Sendern fehlen die Dollars für die geforderten Lizenzgebühren. Schließlich stecken die US-Game-Shows auch noch in einer kreativen Krise. Seit vielen Jahren wartet die Branche auf einen neuen Hit. Alle in den 80er Jahren neu entwickelten Shows fielen beim Publikum durch.
In den USA haftet Game Shows im Moment das Image an, „mega out“ zu sein. Die Frage, ob deshalb auch in Deutschland auf die große Game- Show-Welle bald das große Game- Show-Sterben folgen wird, läßt sich mit Nein beantworten. Während in den USA seit der Begriff „Game Show“ zum Synomym für zumeist kurze, hektische Konsumorgien geworden ist, hat es hier immer ein breites Spektrum unterschiedlicher Sendungen mit Spielen und Kandidaten gegeben. Und daran wird sich wohl wenig ändern, denn die Spiele auf dem Bildschirm sind mittlerweile ebenso selbstverständlich wie Gesellschafts-, Brett- und Kartenspiele. Ob allerdings das deutsche Gegenstück zur konsumorientierten amerikanischen Game Show auf Dauer erfolgreich bleiben wird, läßt sich nur spekulieren. Aber kein Sender, dem seine Zuschauer wichtiger sind als seine Werbekunden, seine Game- Show-Konzepte wichtiger als die Preisauslosungen, wird sich vermutlich Sorgen machen müssen.
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