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Umkehrung der Verhältnisse

■ Hertha BSC - Stahl Brandenburg 3:0/ Ungewohnte Labsal im Olympiastadion

Charlottenburg. Wer sich noch ins Olympiastadion zum Fußball-Anschauen traut, reibt seit einiger Zeit nur noch verwundert die bisher so strapazierten Äuglein. Waren für lange Zeit die Heimspiele von Blau- Weiß und Hertha nur schwer zu ertragende Ereignisse, so treten die beiden Berliner Zweitliga-Klubs in eine Konkurrenz der recht angenehmen Art; sie mühen sich mit einigem Erfolg, besser zu spielen als der hauptstädtische Rivale eine Woche zuvor an gleicher Stelle.

Besonders darunter zu leiden hat der BSV Stahl Brandenburg. Die etwas gemeine Ansetzung des Spielplanes sah vor, zweimal innerhalb einer Woche nach Berlin reisen zu müssen, was die ehemaligen Werkskicker sicher in unguter Erinnerung behalten werden.

Hatten sie schon am letzten Wochenende von den teilweise genial aufspielenden Blau-Weißen eine derbe Abfuhr erhalten, so wurden sie diesmal von der Hertha bis auf die Knochen blamiert. Wären die Berliner nicht teilweise zu trottelig gewesen, hätte das Endergebnis zweistellig ausfallen müssen.

Allerdings hätten die Brandenburger gewarnt sein müssen. Das überlegene Spiel der Hertha war sozusagen ein Sieg mit Ansage. Denn deren Trainer Bernd Stange hatte die letzte Woche nicht nur mit seinen üblichen Beschäftigungen verbracht, sondern ganz ungewohnt ziemlich große Töne gespuckt. Er forderte von seiner Elf »ein Spiel, daß wir von Beginn an dominieren, in dem wir den Gegner derart unter Druck setzen, daß es überhaupt keinen Zweifel an unserem Erfolg geben kann.«

Hübsche Worte, zu deren praktischer Anwendung den Herthanern aber meist die Fähigkeiten abgingen. Diesmal aber dauerte es nur wenige Minuten, bis klar war, daß den Gästen überhaupt keine Chance gewährt werden sollte, sie gar auf eine Weise auseinandergenommen wurden, die fast peinlich wirkte.

So erschrocken waren die Brandenburger von dem druckvollen Spiel der Hertha, daß sie sich fix nur noch in der eigenen Hälfte zu verstecken suchten und selbst dort in fürchterlichem Durcheinander verstrickten. Nur mit zwei Torchancen ärgerten sie die Berliner Abwehr ein wenig; innerhalb der siebzigsten Minute durfte Janotta zweimal aufs Tor schießen, wobei er sich den zweiten Versuch nur aus 35 Metern Entfernung per Freistoß traute.

Die Herthaner ärgerten auch mit Torchancen zuhauf, bloß eher sich selber. Vor allem Theo Gries schien es arg peinlich, so oft so frei vor dem Tor stehen zu dürfen und aus fünf der besten Chancen einfach kein Tor zu fabrizieren. Seine Stürmerkollegen waren da skrupelloser. So nutzten Lünsmann und Rath zwei Gewühle vor dem Brandenburger Tor zu den ersten beiden Treffern, den Glanzpunkt setzte der diesmal überragende Mario Basler nach Doppelpaß mit Lünsmann, als er den Ball seelenruhig durch die einzige Lücke, zwischen sechs Abwehrspielern hindurch, ins Tor kickte.

Mit stolzem Gesichtsausdruck analysierte hernach Bernd Stange: »Wir haben heute allein mit spielerischen Mitteln gewonnen, ohne großen Einsatz zeigen zu müssen. Nur leider fehlte die Ruhe, die vielen Torchancen zu nutzen.« Eine sehr diplomatische Umschreibung dafür, wie seine Spieler allein in den letzten fünfzehn Minuten zirka sechs sichere Tore verschenkten. Fast schon fahrlässig, da bei dem dichten Gedrängel in der Nordgruppe der zweiten Liga das Torverhältnis entscheidend werden kann.

Und die Brandenburger werden sich wohl schwer überlegen, ob sie nächstes Jahr in der Meisterschaftsrunde mitspielen wollen, denn so wie es ausschaut, müßten sie dann wieder zweimal nach Berlin. Was keinen großen Spaß macht, jedenfalls den Gastmannschaften nicht. Den BesucherInnen schon eher; was erstaunlich ist: sonst war's immer umgekehrt. Schmiernik

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