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Fettiges Kabarett

■ Kabarett von und mit Ulrich Reineking-Drügemöller, kurz: Urdrü, im GaDeWe in Walle: Hau rein, Uli

Grafik: Mann

„Text as Text can

Es gibt in Bremen, dieser unumwitterten Stadt, ein einziges dickes Geheimnis. S'ist Urdrü, das Urvieh: Der Mann, der alle Catcher kennt und die Dinge beim Namen nennt hinten in Walle. Das ist ein Kabarettist wie eine Wildsau, Verzeihung eventuell, aber die in Walle kennen das schon und rufen Wildworte auf die Bühne der Galerie des Westens, wo ein heiß und fettiges Kabarett seinesgleichen sucht und nicht findet, da wett' ich eine Bulette. Die meisten Pointenjongleure kräuseln ja so furchtbar wohlerzogen ihre sozialen Nasen über Zuständen aller Art.

Ulrich Reineking-Drügemöller aber, Allround-Aphorist, ist der Verkaufsschlager aus Walle, wo er an jedem ersten Freitag im Monat sein Kabarett der literarischen Gewalttätigkeiten abhält — umwunden vom Waller Fan-Kränzchen, gering gespickt mit Viertelianern, die auch extra hinterhältig begrüßt werden. Der Mann ist sein Programm: beobachtet rücksichtslos dich und mich und noch ganz andere Persönlichkeitsträger wie Kleingärtner, Ulrich Nölle oder Freddy Quinn, und macht sich einen redewendigen Jux drauf — mit erheblichem Mut zur Lage und in Qualtingerschen Ausmaßen. Da räsonniert einer nicht feinsinnig, sondern haut dem Krokodil ordentlich eins auf's Maul, wo er's trifft — wie weiland der Kasper, als er noch really aufmüpfte.

Die Galerie des Westens hat eine Art Freizi-Charme, wo sich's gut geschmacklos sein läßt und man uns, also dem Publikum, als Kabarettist ungestraft Schokoküsse und Buletten nachwerfen kann, wirklich!, schließlich gehört sowas zu Urdrü's Einstellung zur Wirklichkeit: mit Schmackes ran und nicht daneben. Auch Bildzeitungsleser trifft er zielsicher, wenn er ihnen aufgrund rassistischer Ausfälle am Kiosk auf's Jackett rotzt. Nicht immmer greift er zu Mitteln, die ihm Reinigungskosten einbringen. Die Sprache tut's auch. Z.B. beim Kapitelgeber Nölle, „der Mensch“, ein Sparbücher-für- Ungeborene-Anleger mit Heini- Holtenbeen-Kunstverstand: „tanzt gern, lacht gern, und ganz ohne Grund“, wenn er nicht grade „Popel zu Miniaturen“ drechselt.

Zur Urdrü-Pointen-Revue gehören deftige Geschichten und saftige Kalauer: Woher kommt z.B. das Blau der Plaumen? Vom Würgen der Pflaumen-Bäume. Reihum geht's natürlich auch den bremischen PolitikerInnen an den Kragen, aber auch ihren Dackeln und sonstigen Anhängern. Meist karikiert gehobener Schwachsinn die tiefere Bedeutung und trifft sie dadurch noch abgründiger als die bedeutungsschwangeren Sentenzen von Generationen lahmer Kabarett-Enten. Allein, wie Herr Reineking-Drügemöller als verseppelter Psycho-Sachverständiger auftritt, um Freddy Quinns Genital-Bereich auszuloten und ihm einen tiefer hängenden Hoden und eine Affäre mit Hollywoods Hunde-Diva Rintintin nachzuweisen.

Selbstverständlich wird auch was von Freddy gesungen, selbstverständlich „Junge, komm' bald wieder“, und wir johlen mit Drügemöller, im übrigen offen bekennender Schlager-Fetischist. Zum Aufjaulen schließlich die Nummer mit der Multi-Kulti- Woche im Übergangswohnheim, wo der geistige Kalorienbomber Urdrü zum Sozialarbeiter mutiert und uns zur unintergrierten Restgruppe degradiert.

Ach: Schön, schön war die Zeit. Junge, komm' bald wieder. Macht er auch. Schon nächsten Monat. Prämisse: „Es ist verboten, den Toten die Hoden zu verknoten“.

Claudia Kohlhase

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