: Der Potsdamer Landtag ist noch am Suchen
■ Keine Eklats/ Offenbar werden die 88 Volksvertreter von der brandenburgischen Landesregierung nicht ernst genommen
Potsdam. Große Debatten und peinliche Pannen erlebte der am 14. Oktober vergangenen Jahres gewählte brandenburgische Landtag im Plenum bisher nicht. Die größte Blamage machte Parlamentspräsident Herbert Knoblich (SPD) auf leiserem Parkett aus. Die Beweisaufnahme im ersten Untersuchungsausschuß des frei gewählten Parlaments mußte am 12. September wegen Beschlußunfähigkeit vertagt werden. Von den acht vorgeladenen Ausschußmitgliedern erschienen nur drei, um die Verstrickungen von Wohnungsminister Jochen Wolf (SPD) in ein Grundstücksgeschäft aufzuklären.
Bezeichnend ist ein weiterer Vorgang: In rund einem halben Dutzend der 37 vom Landtag verabschiedeten Gesetze — massiv im umstrittenen Schulgesetz — fummelten Landesregierung und Staatskanzlei nachträglich herum. Wer sie veranlaßte, wurde von den Beteiligten bisher im dunkeln gelassen. Daß der Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Jürgen Linde (SPD), sich öffentlich über das angeblich so aktive Parlament beklagte und nach Beobachtung von Knoblich bisher nur selten den Weg zu den Präsidiumssitzungen fand, läßt den Eindruck entstehen: Besonders ernst werden die 88 Volksvertreter von der brandenburgischen Landesregierung offenbar nicht genommen.
Präsident Knoblich fühlt sich manchmal geradezu »an der Nase herumgeführt«. Von der Kritik nimmt er aber Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) ausdrücklich aus. Fraglich ist jedoch, wieviel die Volksvertreter selbst zu diesem fatalen Eindruck beitrugen, werden doch ihre inzwischen 24 Sitzungen von manchem Minister hinter vorgehaltener Hand als Tortur bezeichnet. Geistige Arbeitsentlastung verschaffen sie sich deshalb häufig mit ausgiebigem Aktenstudium — für Knoblich ein »unerhörter Vorgang«. Doch auch so mancher Parlamentarier zog während der Haushaltsberatungen — sie gelten im Westen als Höhepunkt des Abgeordnetenjahres — die Bockwurst in der Kantine dem Zuhören vor.
Selten war in dem vergangenen Jahr eine brilliante Rede zu hören, noch eine heiße Diskussion zu verfolgen. Nur äußere Einwirkungen, wie Massendemonstrationen von Lehrern und Förstern, ein Bombenalarm (allerdings vor Konstituierung des Parlaments) und eine vom Einsturz bedrohte Saaldecke sorgten für Aufregung. Für die meisten Schlagzeilen aber sorgte Landtagspräsident Knoblich bisher selbst. Das Hin und Her um den Umzug des Landtags in den sogenannten »Kreml«, dem früheren Sitz der SED-Bezirksleitung, fand nahezu monatlich eine neue Wendung und wurde zuletzt wohl nicht zu Unrecht in den Medien als »Provinzposse« bezeichnet.
Die eigentlichen Bewährungsproben aber stehen dem brandenburgischen Landtag noch bevor. Die Ergebnisse der Überprüfung der Abgeordneten auf Stasi-Mitarbeit führten zwar schon zu einer Mandatsniederlegung. Erst Anfang Oktober, so Knoblich, werden alle Ergebnisse vorliegen. Die Verabschiedung einer Landesverfassung, bereits für Jahresmitte 1991 geplant, hat sich um rund ein Jahr auf das Frühjahr 1992 verschoben. Im »heißen« Herbst beschäftigen sich die Parlamentarier dafür zunächst mit sich selbst: ein Bonus für das Erscheinen auf den Sitzungen soll ebenso wie höhere Diäten und Aufwandsentschädigungen eingeführt werden. Ihre Miete blieben die meisten Abgeordneten dafür der Landeskasse für ihre Wohnung im landeseigenen Hochhaus bisher schuldig: auf 21.160 Mark sind die Forderungen bei Finanzminister Klaus-Dieter Kühbacher (SPD) bisher angewachsen. Dorothee Stacke/dpa
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