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Verbands-Meyerei

■ Wie sich der DLV selbst seiner Glaubwürdigkeit beraubt

Berlin (taz) — Wahrscheinlich, so orakelte man vor der Sitzung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, soll das gesamte Präsidium, zumindest jedoch der Präsident, Helmut Meyer, erledigt werden. Allein, es kam anders: „Wir sehen die Vergangenheit als erledigt an, denn wir kommen sowieso nicht dahinter“, tönte der wiedergewählte, wiedererstarkte Meyer und stellte sich breitschultrig vor sein Präsidium. Tatsächlich war er, dem Versäumnisse in Sachen Dopingkontrollen nachgewiesen werden konnten, zu keiner Zeit gewillt, seinen Posten aufzugeben.

„Ich werde kämpfen“, so hatte der „Leistungs-Meyer“ (Athletenjargon) angekündigt, und wahrlich: Im Vorfeld der DLV-Sondersitzung machte er ungeniert Propaganda für die eigene Person unter Vernachlässigung jeglicher Schamgrenzen. Die Krönung der Meyer-Publicity-Show war unbestritten der vor Demut triefende Brief von Aktivensprecher Heinz Weis (Hammerwerfer): „Ich darf Ihnen ein besonders großes Lob und Kompliment aussprechen: Ich kenne keinen Präsidenten, der sich so wie Sie um die Probleme der Athleten gekümert hat. ...durch Ihren persönlichen Einsatz ... haben Sie mitgeholfen, Barrieren und Hemmschwellen unter uns Aktiven weggzunehmen und dadurch ein Verhältnis des Vertrauens aufzubauen ... Ich hoffe sehr, ... daß nach meinen Urlaub der Präsident Meyer heißt.“

Wer von den Funktionären auf diese rührende Human-touch-Nummer nicht einstieg, den köderte Meyer mit zählbaren Argumenten: Er legte einen Brief von Mercedes- Benz-Sprecher Matthias Kleinert vor, in dem dieser feste Zusagen zur weiteren finanziellen Unterstützung des DLV zusichert.

Wer nach solchen Belegen immer noch mißtrauisch war, mußte zum Schweigen gebracht werden. So setzte Meyer schlau einen integeren, jedoch äußerst funktionärsliebenden Mann als Versammlungsleiter ein: Prof. Dr. August Kirsch (Köln), ehemals Kopf der deutschen Sportwissenschaft. Von diesem wird gemunkelt, er sei scharf auf die Daume- Nachfolge als NOK-Präsident. Und Kirsch leitete die Diskussion meyerhaft: Kritiker wurden barsch unterbrochen, zu Wort kamen die Lobhudeler.

Den Reformern und Kritikern standen die Haare zu Berge ob dieser perfekt geplanten Präsidiumspolitik. Doch außer geharnischten Reden und Rücktritten hatten sie nichts entgegenzusetzen. Sprich: Es fand sich kein Gegenkandidat zu Meyer. Keiner, der den desolaten Haufen DLV aus der tiefen Vertrauenskrise holen wollte. Denn Meyers Argument, man dürfe ein Jahr vor Olympia die Crew nicht austauschen, ist Blödsinn. Das Jahr nach Barcelona bringt die Weltmeisterschaft — in Stuttgart. Völlig unmöglich, dann zu tauschen.

So blieb den enttäuschten Reformwilligen nur, unter Protest das Feld zu räumen. Theo Rous, der Vorsitzende der Anti-Doping-Kommission, sprach von „desolaten Zuständen, Strukturen und Personen“. Er stehe künftig genauso wenig wie seine Mitstreiter Heide Ecker-Rosendahl und Harald Schmid für die Arbeit zu Verfügung. Rous: „Der DLV erhält die Führung, die er verdient.“

Auch Gerd Schröter, Ex-Präsident der DDR-Leichtathletik, erklärte spektakulär seinen Rücktritt aus dem DLV-Vorstand. „Ich vermisse langfristige Konzepte, inhaltliche und konstruktive Arbeit.“ miß

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