: Belgiens Regierungschef soll Gesetz über regionale Autonomie vorlegen
Brüssel (afp/dpa) — Der belgische König Baudouin hat am Sonntag das Rücktrittsgesuch von Ministerpräsident Wilfried Martens abgelehnt. Martens hatte am Freitag seinen Rücktritt eingereicht, nachdem in seiner Regierungskoalition der Streit zwischen den Volksgruppen der Flamen und Wallonen erneut ausgebrochen war. Am Wochenende davor war bereits eine Partei aus der Mitte- Links-Koalition ausgeschieden.
Die Entscheidung des Königs war von zahlreichen politischen Beobachtern erwartet worden, da die Verabschiedung des Haushaltes und die Festlegung der Truppenstärke der Armee anstehen. Die nächsten Parlamentswahlen sind für den 19. Januar angesetzt, könnten aber auf Dezember oder November vorgezogen werden.
Der Monarch beauftragte Martens, im Parlament einen Gesetzesentwurf für eine Verfassungsänderung mit dem Ziel größerer regionaler Autonomie einzubringen.
Martens war seit 1981 ununterbrochen Ministerpräsident mehrerer Koalitionsregierungen. Die jüngste Koalitionskrise entzündete sich an der Genehmigung von Exportlizenzen für Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien, die an die wallonische Rüstungsindustrie gehen sollten. Die flämischen Sozialisten und die flämisch-nationale Volksunie sperrten sich gegen Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien. Dies hatten die französischsprachigen Wallonen als Angriff auf ihre Industrie gewertet und gedroht, öffentliche Aufträge der Post für flämische Unternehmen zu blockieren.
Der Koalition gehörten nach dem Ausscheiden des kleinsten Partners, der Volksunie, noch vier Parteien an: die flämischen Sozialisten und die flämischen Christdemokraten sowie die wallonischen Sozialisten und die wallonischen Christdemokraten. Martens behielt damit eine ausreichende Mehrheit und kann bis zu den anstehenden Neuwahlen weiterregieren.
Doch der Graben zwischen den Volksgruppen ist so tief geworden, daß Belgien quasi unregierbar ist. Die Übergangsregierung kann nur mit einem Minimalprogramm arbeiten, bis vorgezogene Neuwahlen die immer radikaler werdenden Grabenkämpfe ersetzen. Mit gewachsenem Selbstbewußtsein fordern die Wallonen schon die „Regionalisierung“ der Agrarpolitik. Die flämische CVP will eine „definitive Autonomie Flanderns“ und keine Sozialleistungen mehr für die ärmere Wallonie bezahlen.
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