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Gruner+Jahr stößt 'extra‘ ab

■ Der Hamburger Mediengigant hat sich endgültig von seiner Ostberliner Wochenzeitschrift getrennt, die erst vor einem Jahr übernommen worden war/ Liedtke: Dem Verlag fehlte der lange Atem

Berlin (taz) — In Westdeutschland lief das Blatt mit deutlich arrogantem Unterton unter der Bezeichnung „'Stern‘ für Arme“, im Osten galt es als einzige seriöse Wochenzeitschrift, dessen Redaktion sich verzweifelt — und seit gestern erfolglos — bemühte, eine Zeitschrift „neben dem gängigen Massengeschmack ostdeutscher Bürger“ zu produzieren. Der Ostableger des Hamburger Gruner + Jahr-Verlags ist gestern endgültig begraben worden. Das Blatt sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr zu halten.

Vor einem Jahr erst hatten die Hamburger mit dem Berliner Verlag auch die 'Neue Berliner Illustrierte‘ (NBI) der PDS abgekauft und diese im März dieses Jahres in 'extra‘ umbenannt. Die Auflage rutschte von rund 800.000 Exemplaren pro Woche in Vorwendezeiten auf zuletzt knapp 120.000. Und das trotz der „Zugeständnisse an den Ost- Markt“, wie die Kulturredakteurin Ilona Rühmann den redaktionsintern umstrittenen „Kompromiß an den Massengeschmack“ bezeichnete.

Vor zwei Wochen erst ist die Redaktion in die Mauerstraße am ehemaligen Checkpoint Charlie umgezogen; die Namensschilder an den Türen des langgezogenen Flures in der 3. Etage sind frisch gestanzt, die Wände noch reinweiß. In dieses Ambiente, das förmlich nach frischer Kraft riecht, platzte Chefredakteur Klaus Lietdke gestern morgen um 10.30 Uhr mit dem Todesurteil aus Hamburg. Der frühere Chefreporter des 'Stern‘ hat das volle Vertrauen der knapp 70köpfigen Redaktion. Alle, auch die Ost-Redakteure, glauben ihm, daß er davon überzeugt war, das Blatt retten zu können, wenn der Verlag nur mitgemacht hätte. „Liedtke war kein Kolonisator“, drückt die Kulturredakteurin die Stimmung unter ihren Ost-KollegInnen aus. Und wenn Liedtke meint, der Verlag habe mit der flotten Einstellung von 'extra‘ keinen langen Atem bewiesen, sondern kurzsichtig auf schnelle Profite geschielt, drückt er nur gewählter aus, was die Ost-Redakteurin Heide-Ulrike Wendt bitter so beschreibt: „Gruner + Jahr wollte nur Kohle sehen. Von verlegerischem Engagement keine Spur.“

Den Hamburgern wird amateurhaftes Vorgehen bescheinigt, auffallende Werbung für das Blatt habe es nie gegeben. In erster Linie, so wird vermutet, habe am Berliner Verlag die 'Berliner Zeitung‘ interessiert, mit der der Zeitschriftenkonzern erstmals auf dem deutschen Tageszeitungsmarkt präsent ist. Vielleicht, mutmaßt die Redaktion, hängt das Ende von 'extra‘ auch mit dem seit kurzem bekannten Rückzug des britischen Verlegers Maxwell zusammen, der zu 50 Prozent mit am Berliner Verlag beteiligt ist. Den Briten plagen Schuldenberge in Höhe von mindestens drei Milliarden Mark.

Vor allem die Ost-RedakteurInnen sehen in eine düstere Zukunft. „Der journalistische Arbeitsmarkt im Osten ist dicht“, meint Sabine Langer. Seit gestern ist sie auf „Kurzarbeit Null“. Bis Ende des Jahres zahlt das Arbeitsamt 75 Prozent ihres Gehaltes — danach folgt eine Abfindung in Höhe der Gehälter, die sie bis Juni 1993 bezogen hätte. Gregor Gysi hatte beim Verlagsverkauf eine Beschäftigungsgarantie bis Juni 1993 ausgehandelt. Unterderhand ist daraus eine Einkommensgarantie geworden. Ein sicherer Arbeitsplatz wäre den KollegInnen lieber gewesen. Barbara Geier

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