Stasi spähte Grüne über Schneider aus

■ Der frühere Grünen-Funktionär und jetzige PDS-Abgeordnete Dirk Schneider war jahrelang »Top-Agent« des MfS/ Sofort das Mandat niederlegen

Berlin. Einer der Spitzenfunktionäre der Berliner Alternativen Liste hat seit 1980 für die Staatssicherheit der ehemaligen DDR gearbeitet. Dirk Schneider, der im Juli 1990 zur PDS wechselte und für sie im Abgeordnetenhaus sitzt, hat sich am Montag abend gegenüber ehemaligen Parteifreunden offenbahrt. Er hat der Hauptabteilung Aufklärung der Stasi kontinuierlich über die AL und deren Aktivitäten berichtet und Geld erhalten. Dieses habe jedoch für ihn eine marginale Rolle gespielt, erklärte Schneider. Die Gespräche hätten dazu gedient, sich »ein klares Bild darüber zu machen, was die Politik der AL ist«. Er war für die Partei in Führungspositionen tätig, darunter 1982 im Geschäftsführenden Ausschuß, 1983 bis 1985 im Bundestag. 1987 bis 1989 fungierte er als Pressesprecher für die Partei. Für die Grünen saß Schneider im Innerdeutschen Ausschuß des Bundestages und hatte in den achtziger Jahren auch Kontakt zu DDR-Oppositionellen, darunter auch zu Bärbel Bohley. Er wollte gestern nicht ausschließen, daß er über diese Kontakte berichtet hat.

Schneider erklärte, daß er Kontakte »zu Mitarbeitern der DDR« hatte, die sich ihm gegenüber als Mitarbeiter des Ministerrates vorgestellt hätten. Er habe niemals etwas unternommen, was anderen schaden sollte. Er stehe zu seinem Tun.

Schneider wird wohl wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit belangt. Justizsenatorin Jutta Limbach erklärte, die Staatsanwaltschaft werde ein Prüfverfahren einleiten. Für ein Ermittlungsverfahren sei jedoch die Aufhebung seiner Imunität als Abgeordneter erforderlich. Vertreter von CDU, SPD und Grünen/ Bündnis 90 wollten das unterstützen. Die drei Parteien forderten Schneider auf, sein Mandat niederzulegen. Schneider selbst äußerte sich gestern nicht dazu.

Schneider war als PDS-Abgeordneter von der Gauck-Behörde auf Stasi-Kontakte überprüft worden, am 12. September erhielt er eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Der Leiter der Behörde, Joachim Gauck, erklärte gestern diesen Umstand mit dem unvollkommenen Datenbestand der Hauptabteilung Aufklärung. Nach der Wende seien jede Menge Akten vernichtet worden. Der Unterlagenverlust schränke die Aussagequalität ein. Alle Auskünfte, auch die an Schneider, stünden unter Vorbehalt.

Bei seinen ehemaligen und jetzigen Parteifreunden lösten die gestrigen Enthüllungen Entsetzen aus. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, forderte Schneider auf, offenzulegen, was er weitergegeben hat. Schneider war, so Künast, »ein Top-Agent, ein sogenannter Einflußagent«. Der PDS-Abgeordnete Harald Wolf war »geplättet«, daß sich Schneider an geheimdienstlicher Ausspähung beteiligte. Die PDS- Fraktion wollte sich vor ihren eigenen Beratungen nicht zum Fall Schneider äußern. Dieter Rulff