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Eine glatte klerikale Unverschämtheit

■ Erzbischof entzieht Drewermann die Lehrerlaubnis

Berlin (taz) — Eugen Drewermann ist vom katholischen Katheder verbannt. Der Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt hat dem kritischen Theologen und Psychotherapeuten verboten, weiter im Namen der katholischen Kirche zu lehren. Die Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz gab gestern den Entzug der Lehrerlaubnis (venia legendi) bekannt. Sie begründete den Schritt mit strittigen Glaubensfragen.

Die Glaubenswächter werfen Drewermann vor, die Jungfräulichkeit Mariens in Frage zu stellen, anzuweifeln, daß Jesus das Amtspriestertum einsetzen wollte, und sich unbotmäßig zum Paragraphen 218 zu äußern. Der Theologe hatte unter anderem geschrieben, „bei der jungfräulichen Geburt hat man es mit einem mythischen Symbol zu tun“. Dabei sind sich die katholischen Bischöfe selbst ihres Glaubens an die Jungfrauengeburt nicht besonders sicher. Der Mainzer Bischof und Vorsitzende der Bischofskonferenz, Karl Lehmann, erklärte beispielsweise: „Die ,Jungfräulichkeit‘ ist ein Bild oder Ausdruck des Glaubenslebens, nicht der Biologie.“

Peter Eicher, der wie Drewermann in Paderborn Theologie lehrt, erklärte der taz, die Entscheidung Degenhardts sei „vormodern“ und zudem „gegen die Menschenrechtslehre der Kirche“. Die von der Glaubenskommission ausgesprochenen Verurteilungen Drewermanns seien nicht in einem theologischen Gespräch zustande gekommen. Die Entscheidung Degenhardts sei „ein schwarzer Tag für die Theologie“. Theologisches Denken sei ganz offensichtlich unerwünscht, wenn es „auf die Veränderung der Kirchenstruktur zielt“. Schließlich hatte Drewermann behauptet: „Die katholische Kirche wird zentralistisch, im Grunde absolutistisch geführt und unterliegt deswegen der Irrationalität autokratischer Systeme.“ Wie schnell so etwas zusammenbrechen könne, habe man am Beispiel der KPdSU gesehen. Außerdem hatte Drewermann die Priesterkaste vergrätzt, als er in seinem monumentalen Werk Die Kleriker die psychischen Deformationen katholischer Priester untersuchte. Als prominentester Gegenspieler des Paderborner Theologen gilt der Kölner Erzbischof Meißner. Meißner hatte seinem Bistum verboten, in einer katholischen Buchhandlung weiter einzukaufen, die mit Drewermann eine Lesung veranstaltet hatte.

Solch patriarchales Gehabe haben ihm die rheinischen Schäfchen nicht gedankt. In Köln drohten Gläubige massenhaft mit ihrem Kirchenaustritt. Die gestrige Entscheidung, so befürchten Theologen, könne zu weiteren Protesten und Austritten führen. bam

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