INTERVIEW: „Es ist wichtig, ihnen die Angst zu nehmen“
■ Almuth Berger, Ausländerbeauftragte in Brandenburg, zu Aktionen gegen den Fremdenhaß
taz: Frau Berger, haben Sie den Eindruck, daß die Aktionen gegen den Ausländerhaß mit den zunehmenden Übergriffen seit Hoyerswerda Schritt gehalten haben?
Almuth Berger: Noch nicht ganz. Aber gerade durch Hoyerswerda sind eine ganze Reihe von Leute aufgewacht, die jetzt feststellen: Wir müssen selber etwas tun.
Was tun denn die Brandenburger selber, neben der Telefonkette in Fürstenwalde (siehe Kasten)?
Eine „Initiative Ausländer“ in Potsdam hat sich sehr um die Asylbewerber bemüht, die hier bis zum Wochenende in einer provisorischen Unterkunft untergebracht waren. Das liegt mitten im Wald und ist telefonisch nicht erreichbar. Da ist eine große Gruppe aus Potsdam hingefahren, ist bei ihnen geblieben, hat mit ihnen Musik gemacht und getanzt. Ihnen einfach gezeigt: Wir sind da und vergessen euch nicht.
Also eine Art emotionaler Schutz.
Ja, ich denke, es ist wichtig, ihnen die Angst zu nehmen, daß sie den Angriffen ganz allein ausgeliefert sind. Man stößt da natürlich auch auf Schwierigkeiten, wenn die Helfer da nicht übernachten können — sie müssen ja früh morgens wieder arbeiten gehen. Ausgesprochen hoffnungsvoll finde ich auch die Aktion, die Mitglieder des Landesschülerrates organisiert haben. Unter dem Motto „Wir Brandenburger Schüler und Schülerinnen sagen nein zu Gewalt und Rassismus“ haben sie Plakate und Aufkleber gedruckt, die zusammen mit Informationsmaterial an die Schulen verschickt werden. Mit Veranstaltungen wollen sie gerade da Gespräche in Gang bringen. Für jüngere Schüler ist ein Mal- und Erzählwettbewerb geplant.
Das Problem ist mittlerweile, daß ja heute Schüler und Schülerinnen, die sich einsetzen, in der Minderheit sind. Es braucht schon Zivilcourage, um so etwas zu machen. Ich habe gehört, daß manche diese Plakate auch lieber versteckt und anonym kleben, weil sie selber Angst bekommen. Wie kann man diese Jugendlichen bestärken?
Das geht nur, indem viele mitmachen. Ich habe auch weniger Angst, wenn ich merke, daß andere mich unterstützen.
Heißt das, daß auch dezentrale Aktionen möglichst vernetzt werden sollten, um sich gegenseitig zu stützen? Zum Beispiel mit Telefonketten?
Ja, aber das muß auch von unten wachsen. Und Telefonketten scheitern ja leider häufig schon an fehlenden Fernsprechern in den neuen Bundesländern. Hier bräuchten wir eigentlich noch reitende Boten und Rauchzeichen.
Nun müssen diese Wohnheime ja auch dauerhaft geschützt werden, und nicht nur emotional. Tut die Regierung da genug?
Da würde ich mir noch ein bißchen mehr wünschen. Aber ich weiß, daß der Innenminister das jetzt als eine vordringliche Aufgabe ansieht. Zum Beispiel habe ich gesagt: Wir müssen alle Asylbewerberheime mit Funkgeräten ausstatten, damit die die Polizei benachrichtigen können. Das ist beim Innenministerium zwar auf Zustimmung gestoßen, aber noch nicht umgesetzt worden. Dabei braucht man das jetzt ganz schnell.
Einen Krisenstab oder ein ähnliches Koordinationsgremium der verschiedenen Ministerien hat Brandenburg nicht geschaffen?
Im Sommer gab es ein erstes Treffen zu Rechtsextremismus und Fremdenfeindichkeit. Im Moment sind in den verschiedenen Ministerien Leute aktiv geworden und verständigen sich untereinander. Ein Krisenstab ist meistens nicht sonderlich effektiv.
Haben Sie als Ausländerbeauftragte genug Kompetenzen, um zu koordinieren?
Ich koordiniere schon einiges, aber ich kann natürlich nicht in die Kompetenzen des Innenministeriums eingreifen. Da kann ich nur Empfehlungen oder Bitten aussprechen. Ich wäre aber auch nicht sehr glücklich, wenn ich da allein zuständig wäre. Es müssen da die verschiedenen Ressorts in ihrer Zuständigkeit etwas tun.
Was erwarten Sie vom Bund? Bonn sagt ja, das sei alles Ländersache...
Vor allem beim Problem der Unterbringung. Das Bundesvermögensamt und die Treuhand müßten den Kommunen und Kreisen schneller und unbürokratischer Häuse und Räume zur Verfügung stellen. Da gibt es immer wieder Schwierigkeiten. Interview: Michael Rediske
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