: Allergie oder Unterhaltung
■ Christof Doerings erster Spielfilm
Einen Erdbeerallergiker nach dem Eissalon zu fragen, der gutes Erdbeereis im Angebot hat, ist zwar originell, garantiert aber nicht unbedingt für ausgesprochene Sachkompetenz. So fühlt sich die Rezensentin zwar prinzipiell wohlgesonnen, aber aktuell doch hilflos, angesichts der hervorragenden PR-Arbeit des bekannten und fleißigen Subkulturfilmers Christoph Doering, ein Mann, dessen Filme ich nie sehen wollte und der am Telefon doch immer recht reizend war. Nun hat er's also geschafft — wie man weiß, ist man ja immer irgendwann mal dran — ich habe mir Von Wegen, seinen ersten Spielfilm, produziert mit Hilfe des ZDF und seiner experimentierfreudigen »Kleines Fernsehspiel«-Redaktion (auf deren Sendeplatz er auch bereits schon gelaufen ist), angesehen, und — tatsächlich — es war gar nicht soo schlimm.
Am Anfang träumt einer, und weiß der Himmel, wer dieses Gerücht in die Welt gesetzt habe, der Mensch träume immer in schwarzweiß — ich jedenfalls träume immer ziemlich grell in allen Farben — und bei Christoph Doering träumen die Leute bunt, dafür leben sie schwarzweiß. Ob das das Experimentelle an und für sich ist? Neben den echten Träumen im Bett gibt es dann noch die falschen Träume, für die man Geld bezahlen muß, in diesem Film mindestens 60 Mark im Monat für den Verleih einer Videobrille, unter der die Menschen (ähnlich wie in diesem hervorragenden, von der amerikanischen Brauereiinnung finanzierten Antidrogenfilm Kifferwahn) sofort anfangen zu lachen, und alles um sich herum vergessen. Mit dieser etwas simplen Idee zieht Alf als Vertreter durch das Zonenrandgebiet und sieht immer mal wieder die merkwürdige Gestalt von Vincent durch die Wiesen und Auen ziehen — Vincent, der Bettelmönch, der früher mal als Arzt auf der Krebsstation gearbeitet hat und sich auf die Findung des Lebenssinns machte. Und dann ziehen sie beide mit Alfs Köfferchen auf Rädern, der blöden Brille und vielen Fragen und wenig sinnvollen Antworten durch das tumbe Zonenrandgebiet, bis am Ende der Mönch sehr typisch mönchisch überraschend im Anzug auf den Zug steigt und den Vertreter erstaunt zurückläßt, nicht ohne vorher zu sprechen: »Du kannst alles Kranke herausschneiden, die Ursachen bleiben.« Und dazu sehen wir dann Bilder von Müll und Hochhäusern.
Es gibt wunderschöne, poetische Bilder in diesem Film, komische Situationen zwischen den beiden Männern, die sich so seltsam ähneln. Es gibt auch prima Ideen, wie diese, daß der Bankautomat mit der Bemerkung »Mit dieser dreckigen Karte gehen Sie mal woanders hin« kein Geld ausspuckt... Und man ist auch danach gar nicht ärgerlich, wenn man den Film gesehen hat, aber man ist auch gar nicht richtig fröhlich. Man hat eher das Gefühl, Zeuge einer verheißungsvollen Ahnung, ja wahrscheinlich eines »Experiments« gewesen zu sein. Und so war es doch wohl auch gemeint, oder? zuc
Von wegen, von Christoph Doering vom 10. bis 16.10. um 22.30 Uhr im Moviemento
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