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ALBAtros fliegt weiter

Durch ein 81:64 im Rückspiel gegen Helsinki erreichte ALBA Berlin die dritte Runde des Basketball-Europacups  ■ Unterm Korb Jürgen Schulz

Berlin (taz) — Marco Baldi, der Manager des Basketball-Bundesligisten ALBA Berlin, gibt sich gerne tierisch: „Der Albatros hat keine natürlichen Feinde“, doziert der 29jährige einstige Bundesliga-Spieler, der wohl gerne den verwaisten öffentlich-rechtlichen Sendeplatz des Heinz Sielmann einnehmen möchte. Wobei Baldi die ersten vier Buchstaben des Vorbild-Vogels stets groß schreiben würde, ebenso riesig wie die Korbleger seines Vereins in natura sind: Mit Uwe Blab (2,17 Meter), Ingo Wolf und Sven Meyer (beide 2,10) verfügen die Charlottenburger über die schlagkräftigste „Luftwaffe“ der Stadt seit Abschaffung der alliierten Vorbehalte in Berlin. Hinzu kommt mit dem Recycling-Unternehmen ALBA ein frischer Sponsor, der mit echtem Geld das provinzielle Image des vormaligen DTV/BG Charlottenburg aufpolieren will. Allein schon der Mäzen als Namensgeber, so frohlockten die Fans an der Spree, suggeriert eine optimale Chancen-„Verwertung“. Doch zu Beginn der aktuellen Saison waren es die Berliner Spieler selbst, die Schrott ablieferten: Gegen Bundesliga-Neuling Braunschweig und bei Brandt Hagen wurden den ALBAtrossen kräftig die Flügel gestutzt. So wurde dem Europapokal- Rückspiel gegen NMKY Helsinki in der Charlottenburger Sporthalle unversehens das Prädikat „Schicksalsspiel“ zuteil: hui oder pfui — das war die Frage nach der Hinspielniederlage (69:71) der Berliner in Finnlands Metropole.

Gleich zu Beginn der Partie unterstrichen die Einheimischen, daß sie nicht gewillt waren, beim Gast aus dem hohen Norden Hoffnung aufkeimen zu lassen. Angetrieben vom Jugoslawen Emir Mutapcic und dem schlafwandlerisch wurfsicheren Lutz Wadehn im Rückraum hoben die Berliner Vögel bis zur zweiten Minute zu einem 7:2-Vorsprung ab. Auch in der Folgezeit sah ALBA- Coach Faruk Kulenovic keinen Grund, seinen gerade genesenen Spielgestalter Zoran Radovic ins Rennen zu schicken. Der Liebling der Fans sollte nur im Fall der Fälle ran, falls die Finnen über sich hinauswachsen sollten.

Das hätten die Nordmänner von der Statur her bitter nötig gehabt. Neben ihren beiden US-Importen Ron Kellog und Herbert Crook besaßen sie mit Pekka Lähdetniemi nur einen weiteren Akteur, der die Zwei-Meter-Schallmauer durchbrach. Diesen Höhenunterschied zwischen ALBA Berlin mit seinen sechs Zwei-Meter- Hünen und NMKY (= CVJM) Klein-Helsinki bekamen die Zuschauer zu spüren. Während die langen Kerls aus der Sömmeringstraße die Lufthoheit besaßen, wurden sie Parterre immer wieder von den christlich-vereinigten Jungmännern quirlig unterlaufen. So kam es, daß die Berliner bis zur Halbzeit nur einen wenig beruhigenden 42:32-Vorsprung erzielen konnten.

ALBA startete auch in der zweiten Spielhälfte wie die Helden der Korbleger-Innung. Trotz eines 14-Punkte-Abstands (24.) vermißte man beim vorjährigen Vizemeister den roten Faden, das taktische Korsett, in dem die technisch versierten Lulatsche zaubern konnten. Statt majestätisch gleitenden ALBAtrossen zujubeln zu können, befürchtete man ab der 30. Minute Zustände wie in ALBAnien: Plötzlich lief nichts mehr. Mutapcic verwarf diverse Freiwürfe, und auch Lutz Wadehn geizte nun mit Treffern. Zu allem Überfluß mußten sowohl Uwe Blab als auch Sven Meyer ihre Kameraden wegen jeweils fünf Fouls vorzeitig im Stich lassen. So mußte erneut — wie beim sensationellen Heimsieg gegen Meister Leverkusen in der Bundesliga — der 20jährige Ingo Freyer ran. Mit ruhiger Hand hievte sich der Neuzugang von Rist Wedel, einem Zweitligisten, aus der Masse nervöser Charlottenburger empor und legte Ball um Ball ins Netz der Finnen. Ron Kellog, ihr Superguard, der im Hinspiel mit 35 Punkten brillierte, ließ zwar noch mit einigen Treffern seine Klasse aufblitzen. Doch als die Schlußsirene ertönte, jubelten die Berliner. Mit dem Endstand von 81:64 hatten sie die dritte Runde des Europapokals erreicht.

Aber an den Gesichtern von Trainer Kulenovic und Manager Baldi war abzulesen, daß man sich wärmer anziehen muß, um beim heißen Tanz um den Europacup nicht vorzeitig kaltgestellt zu werden.

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