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Milde Strafen für Mauerschützen?

■ Rechtlicher Hinweis des Gerichts: Verurteilung wegen Totschlags in minder schwerem Fall möglich

Berlin (dpa) — Im sogenannten „Mauerschützenprozeß“ erwägt das Gericht offenbar eine geringere Bestrafung der vier Angeklagten, als nach der Anklage der Staatsanwaltschaft möglich wäre. Der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer, Theodor Seidel, gab am Mittwoch zu Beginn des elften Verhandlungstages „den rechtlichen Hinweis“, daß die Beschuldigten möglicherweise nur wegen Totschlags in einem minder schweren Fall verurteilt werden könnten. Der Strafrahmen liegt hier zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte die vier Grenzsoldaten wegen gemeinschaftlichen Totschlags angeklagt, bei dem eine Haftstrafe nicht unter fünf Jahren verhängt werden darf.

Seidel betonte jedoch, daß sein Hinweis keinen vorentscheidenden Charakter habe, er solle vielmehr den Angeklagten und ihren Verteidigern signalisieren, in welche Richtung das Gericht auch Überlegungen anstelle. Für den Angeklagten Peter Schmett sprach Seidel sogar davon, daß dieser nur wegen zweifacher versuchter Körperverletzung verurteilt werden könnte.

Der Verteidiger von Mike Schmidt hatte zuvor beantragt, das Verfahren gegen seinen Mandanten einzustellen. Die Staatsanwaltschaft verweigerte jedoch die Zustimmung dazu. Verteidiger Johannes Eisenberg forderte gestern, Michail Gorbatschow, Richard von Weizsäcker sowie zahlreiche ehemalige Berliner Bürgermeister, unter ihnen auch Willy Brandt, sollten als Zeugen aussagen. Sie sollten die historischen Umstände des Mauerbaus näher erläutern können. Dies sei für die Abwägungen bei der Urteilsfindung notwendig.

In dem Verfahren geht es um die Tötung des 20jährigen Chris Gueffroy in der Nacht zum 6. Februar 1989 an der Berliner Mauer.

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