: Radio Bremen ohne Hörer
■ Zur besten Werbezeit drehen die Bremer ihren Heimatsender ab
Die Finanzlage von Radio Bremen ist dramatisch. „Im Hörfunk bricht bereits ein Teil der Werbung weg“, auch im Fernsehbereich „wird die ARD im nächsten Jahr deutlich geringer gebucht werden“, das bedeutet auch „geringere Kostenerstattung“ — der Programmdirektor Fernsehen bei Radio Bremen, Rüdiger Hoffmann, sieht Schwarz. Anfang Oktober gab er seinen Abteilungsleitern intern eine Notiz, die in dem Satz mündet: „Noch kämpfe ich, aber tendenziell ist Bescheidenheit angesagt. Daß bei Radio Bremen in den nächsten Monaten „weiterhin Programm im selben Umfang und in derselben Qualität wie bisher zu machen“ ist, kann der Programmdirektor nur noch „hoffen“.
Die internen Wirtschaftsplanberatungen Ende September haben den Ernst der Lage klargemacht. Gemunkelt wird über den Rückgang der Einschaltquoten im Hörfunk schon länger, seitdem nämlich die Privaten Hörfunk- Sender ihre Zahlen vorgelegt haben. Das Vierte Programm hat zweistellige Einbrüche gehabt, der Kaffeepott, Werbeumfeld für das erste Programm, sinkt drastisch, nur das kulturelle Minderheitenprogramm auf der zweiten Welle hat relative Gewinne zu verzeichnen: auf 2,4 % Reichweite ist „Radio-Bremen-Kulturell“ angestiegen.
Der Pressesprecher von Radio Bremen kann zu diesen Zahlen seit Wochen nichts Konkretes sagen. Im Ausstrahlungegebiet habe Radio Bremen den ersten Rang an den NDR abtreten müssen, 1990 lag RB noch mit 45% vor dem NDR mit 40%, 1991 lag der NDR bei 45,5%, Radio Bremen nur noch bei 40%.
Nun sind aber weder die Einschalt-Zeiten noch die Werbebuchungen gleichmäßig über den Tag verteilt, Geld verdient der Höfunk in der sog. „Prime- Time“ morgens früh, in Bremen insbesondere die Hansawelle. Was Radio Bremen nicht offiziell bestätigen wollte: Nach einer offiziellen RB-Tabelle, die der taz vorliegt, sank die „Hörerschaft pro Stunde“ bei der Hansawelle von 1990 auf 1991 in der Zeit zwischen 7-8 Uhr von 450.000 auf 310.000, also um 31 Prozent ab. In der Stunde zwischen 8 und 9 Uhr ist die Einschaltquote von 490.000 auf 390.000 gesunken, d.h. um 20 Prozent. In den weniger werbeintensiven Stunden des Programms liegen die Einbrüche auch niedriger.
Auch im Fernsehbereich der ARD scheint es Einbrüche zu geben, die den WDR bewegen, die Gleichschaltung des Vorabendprogramms und damit das Ende von Buten&Binnen zu verlangen.
Während im Fernsehbereich wenigstens ein Programmchef da ist, der seinen Abteilungen die notwendigen Kürzungen mitteilen kann, hat Karola Sommerey etwa zeitgleich mit Bekanntwerden der schwarzen Zahlen ihren Posten als Programmdirektorin im Hörfunk verlassen: So überraschend offenbar, daß vorher kein Nachfolger gesucht werden konnte. Erst im Dezember soll über die neue Programmdirektion entschieden werden. Mit ihr werden die sinkenden Hörerzahlen und Werbeeinnahmen beraten werden müssen. Ulrich Kienzl, früher Fernsehchef bei Radio Bremen, hat sein Interesse an dem Hörfunk-Posten inzwischen zurückgezogen. K.W.
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