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Schweizer Luft wird dünn für Jean Ziegler

Genf (taz) — Die Luft wird dünner für den kritischen Genfer Soziologen und Autor Jean Ziegler. Nach einer ersten Verurteilung wegen angeblicher Beleidungen in seinem Buch Die Schweiz wäscht weißer vergangene Woche in Paris wurde er jetzt auch vor einem Genfer Gericht der „üblen Nachrede“ angeklagt. Sollte Ziegler bei den Schweizer Parlamentswahlen am 20. Oktober seinen sozialdemokratischen Nationalsratssitz und damit seine parlamentarische Immunität verlieren, drohen weitere Prozesse.

Die Genfer Anklageerhebung erfolgte auf Antrag des Finanziers und Immobilienhändlers Nessim Gaon. Gaon strengte außerdem eine Zivilklage auf Schadensersatz in Millionenhöhe an. Ziegler hatte Gaon in seinem Buch als „Baumwoll-und Erdölschieber“ und als „Partner Mobutus“ bezeichnet. Nach der Verhandlung erklärte Ziegler, seine Äußerungen hätten „keinen diffamierenden Charakter“ und er werde „zum gegebenen Moment dafür den Wahrheitsbeweis liefern“.

Gaon hatte bereits im Dezember 1989 — kurz nach Erscheinen von Die Schweiz wäscht weißer — Anzeige erstattet. Anklage konnte aber erst erhoben werden, nachdem die beiden Berner Parlamentskammern die Immunität Zieglers in diesem Fall mit konservativ-bürgerlichen Mehrheiten aufgehoben hatten. Gegen diesen Entzug der Immunität — den ersten in der Schweizer Parlamentsgeschichte seit über 50 Jahren — legte Ziegler letzte Woche Beschwerde beim Europäischen Menschrenrechtskommission ein.

Anlaß für Zieglers Verurteilung zu 20.000 Schweizer Franken Geldstrafe durch ein Pariser Gericht war eine Beleidigungsklage des Zürcher Anwaltes Hans W. Kopp gegen die in Frankreich erschienene Ausgabe seines Buches. Ziegler hatte den Ehemann der im letzten Jahr unter spektakulären Umständen zurückgetretenen Schweizer Justizministerin Elisabeth Kopp in Verbindung mit Drogengeldgeschäften gebracht. Gegen das Urteil legte Ziegler Berufung ein. Die Behandlung einer dritten Beleidigungsanzeige verhinderte der Nationalrat letzte Woche vorläufig, in dem er die Aufhebung der Immunität Zieglers mit knapper Mehrheit ablehnte. Die Anklageerhebung würde jedoch erfolgen, falls Ziegler am 20. Oktober seinen Parlamentssitz verliert. Andreas Zumach

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