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Ratternde Sequenzer und meterhohe Synthieklangwände

■ The Fair Sex im Vorprogramm von Pink Turns Blue

Und ich dachte, Rough Trade produziert nur noch Techno! Aber mit Techno, so wie wir ihn aus einschlägigen Berliner Clubs kennen, haben Fair Sex so gar nichts zu tun. Egal, vielleicht bin ich, was das musikalische Konzept des Indies angeht, ja einfach nur desinformiert; soll schließlich mal vorkommen.

Fest steht jedenfalls, daß das 91er Album von Fair Sex auf »Our Choice«, dem vor einem Jahr eigens für deutsche Bands gegründeten Sub- Label von Rough Trade erschienen ist. Und fest steht auch, daß die vierköpfige Band aus Essen neben einigen Gitarren fast nur Sampler, Synthesizer und all die anderen elektronischen Spielereien benutzt. So kommt beispielsweise die gesamte Rhythmussektion aus der Maschine, ist eben »nicht handgemacht«, wie viele oft abfällig mäkeln. Häufig natürlich ein ungerechtfertigter Vorwurf, aber live kanns halt leicht in die Hose gehen, wenn die Musiker dann mehr oder weniger steif vor Konzentration auf der Bühne stehen und an irgendwelchen Computer-Armaturen rumschrauben. Aber das kann schließlich heute abend im Vorprogramm von Pink Turns Blue herausgefunden werden.

Die jedenfalls sind pünktlich zu ihrer vierten LP Aerdt komplett von Köln nach London emigriert, weil dort Sänger und Songwriter Mic Jogwer »Musik und Leute besser gefallen«. Wie bereits das Vorgänger-Album Meta spielte die nach einem Hüsker Dü Titel benannte Combo ihr jüngstes Werk im jugoslawischen Ljubljana mit dem Laibach-Produzenten Janez Krizaj ein. Ansonstenstehen die kopflastigen Pink Turns Blue eher in den Fußstapfen von Joy Division und Cure und sind erst dann zufrieden, wenn sie von ihrer eigenen Musik »eine Gänsehaut bekommen«.

Zurück zu Fair Sex. Wie gesagt, Techno ist natürlich was anderes: Eben härter, immer absolut gitarrenfrei und natürlich stets tanzbar. Ach ja, auch Texte sind bei Techno bestenfalls Zierat, um sich parolen- und phrasenhaft in die Schädel der tanzenden Meute einzuhämmern. Ganz anders Fair Sex. Die Jungs legen ganz offensichtlich Wert auf ihre lyrics (so sagt man wohl?) und drucken ihre bitter klagenden Zeilen gar im Inlet von Bite Release Bite, ihrer mittlerweile dritten LP, ab.

Aber was machen Fair Sex nun eigentlich? Schwer zu sagen, der Gesang ist düster, gewollt verrucht, ein bißchen Richtung Trash und dann doch steckengeblieben. Ansonsten ratternde Sequenzer und zu Hauf türmen sich schwelende Synthieklangwände meterhoch auf. Und auch wenn die meist sägenden Gitarrenparts in die Kerbe schlagen, die Punk vor Jahren hinterließ, fällt es schwer nachzuvollziehen, warum das Bandinfo Medien und potentiellen Veranstaltern etwas von Elektropunk vorzugaukeln versucht. Bestenfalls, Industrial-Wave, wenn's denn sowas gibt, mit schwerblütigem Gothic- Einschlag, oder doch ganz einfach nur Synthiepop, ziemlich massenbekömmlich angerichtet. Depeche Mode oder besser noch Camouflage und Alphaville auf hart getrimmt, ziemlich deutsch, nicht gerade neu, aber auch nicht unbedingt schlecht. Manchmal erinnern Fair Sex auch an Anne Clarke, doch genug der Vergleiche, sonst komme ich noch völlig ins Schleudern. Fair Sex machen Stimmungsmusik, melancholisch bis verhalten aggressiv. Auf die Dauer allerdings ein bißchen nervig. Andreas Kaiser

Fair Sex und Pink Turns Blue spielen am Samstag, den 12.10., um 21Uhr im Ecstasy

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