: Betr.: Memento Mori
■ Vorsorgliche Imagepflege des Bestattungsgewerbes / Der Totensonntag kommt gewiß!
“In den späten Novembertagen hat der Tod wieder Saison“, teilt Klaus Hermann Meyer-Heder, Landesverbandsvorsitzender der Bremer Bestattungsunternehmen, der Bremer Presse mit. „Betr.: Memento mori“ prangt auf dem Schreiben, dem allerlei Druckwerk beiliegt, wie die Broschüre mit dem kryptisch tönenden Titel „Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen“. Des weiteren finden sich Fotokopien zweier Artikel aus dem Totengräberbranchenblatt das bestattungsgewerbe. Einer stammte aus der Feder des Bremer Landesvorsitzenden höchstpersönlich (Überschrift: „Der alte Mensch und der Bestatter“) und hebt an mit den Worten „Den eigenen Gedanken nachgehen“, gefaßt auf dem Rückweg vom Grab zur Kapelle, wo das Auto geparkt ist. Den anderen verfaßte der Bremer Thanatologe (=Sterbeforscher) Pastor Klaus Dirschauer (“Abschiednehmen von Vertröstungen“); er empfiehlt zunächst „den Tod begehen“.
Was soll uns aber diese neue PR- Variante der sonst so verschwiegenen Branche zu verstehen geben? Gibt es wegen saisonal gestiegener Nachfrage Discountpreise für Särge, Urnen und Seebestattungen? „Weit gefehlt“, antwortet Meyer-Heder auf Anfrage der taz. Aber er kenne die Medien, und die würden seiner Erfahrung nach das Bestattungswesen im Herbst gerne thematisieren und dabei immer nur Bestattungsgebühren und Sargpreise besprechen. Ihm liege aber an der inhaltlichen Betrachtung seines Gewerbes, erklärt er und spricht von Trauer- und Sterbephasen, in denen der „coole Verstand“ nicht mehr ausreiche. Also habe er „prophylaktisch Informationen“ auf den Weg geschickt, andeutend, daß die psychosoziale Komponente des Gewerbes nicht vergessen werden dürfe.
Das hört sich natürlich viel besser an als das häßliche Bild vom Geschäft mit dem Tod, das im Prinzip ja keine Marketingstrategie nötig hat. Also werfen wir mal einen Blick in die bereits 1986 von verschiedenen Fachleuten verfaßte und anfangs erwähnte Broschüre. Ein Kapitel wirft die Frage auf „Was ist der Tod - was ist das Leben“; Anleitung zum „abschiedlich Leben“ gibt ein anderes. Wir erfahren, daß frühere Generationen „Herr, bewahre mich vor einem schnellen, schlimmen Tod!“ beteten, aber „heutige Menschen“ sich einen „schönen, schnellen Tod“ wünschen. Ob das die Sinnverschiebung in der motorisierten Gesellschaft ist, der jährlich in Deutschland mehr als 10.000 Menschen zum Opfer fallen?
„Ach, wissen Sie“, scheut Meyer-Heder vor seinem aufklärerischen Vorstoß in die Öffentlichkeit zurück, „heute ist doch so ein schöner Herbsttag, da braucht man ja nicht unbedingt ans Sterben zu denken“. Da verschiebt er die psychosozialen Überlegungen doch lieber wieder auf den Totensonntag.
Juan
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen