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Reichtum ist die absolut einzige Gemeinsamkeit der G-7-Staaten

Vor Beginn der IWF-Jahrestagung werden sie sich kaum auf eine gemeinsame Position einigen  ■ Aus Bangkok Dietmar Bartz

Der Gipfel auf dem Gipfels hat begonnen. Vor dem offiziellen Beginn der Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) am Montag haben sich die Finanzminister und Notenbankchefs der sieben wichtigsten Industrieländer (G-7) gestern in Bangkok getroffen, um erst einmal ihren Terminkalender umzustellen. Die Delegationen aus den USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada werden nun erst zum Abschluß am Samstag abend über Hilfen für die Sowjetunion reden. Zuvor hatte die Delegation aus Moskau, die zwar für die gesamte UdSSR spricht, in der sich aber auch Vertreter der Republiken befinden, ihre Anreise verschoben.

Nach Angaben eines US-Beamten wollten die Sowjets noch an weiteren Wirtschaftsberatungen teilnehmen, bevor sie den G-7-Ministern Bericht erstatten. Unklar ist bisher, ob sie dann in ihrem Gepäck Angaben über die verbliebenen Gold- und Devisenreserven des Landes mitbringen — ein wichtiger Anhaltspunkt dafür, wie lange die Rückzahlung der Auslandsschulden — nach neuesten Angaben 68 Milliarden Dollar — garantiert werden kann.

Zur Debatte steht außerdem die Forderung des sowjetischen Zentralbankpräsidenten Viktor Geraschtschenko, nach einem Überbrückungskredit von drei Milliarden Dollar. Vom IWF kommt ein derartiger Kredit sicher nicht, schließlich ist die UdSSR einstweilen nur assoziiertes Mitglied mit besonderem Status. Wenn jemand zahlen müßte, dann die Industrieländer. Ebenso müßten sie grünes Licht Licht dafür geben, die Auslandsverbindlichkeiten umzuschulden oder die Rückzahlung für eine Zeit, etwa für sechs Monate, auszusetzen. Aber bevor die Delegation der UdSSR keine genaueren Angaben macht, wird hier in Bangkok gebetsmühlenhaft wiederholt, ist, von der Winterhilfe abgesehen, mit keinem Entgegenkommen der G-7 zu rechnen.

Vier Bedingungen werden vermutlich erfüllt sein müssen: die Offenlegung aller bedeutenden ökonomischen Daten, ein wirtschaftliches Reformprogramm, das die G-7 akzeptieren, die genaue Aufteilung der Zuständigkeiten von Zentrale und Republiken bei Schuldendienst und Wirtschaftspolitik, und eine Verpflichtung der SU, die noch vorhandenen Eigenmittel einzusetzen.

Als Hardliner kann dabei Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) gelten: Schließlich steht ein Großteil der sowjetischen Auslandsschulden in den Büchern der deutschen Banken — die wiederum zu 90 Prozent vom Bund über die Hermesversicherung verbürgt werden. Außerdem beharren Waigel und sein Finanzstaatssekretär Horst Köhler darauf, daß jetzt die anderen G-7-Staaten mit Zahlungen für die Sowjetunion an der Reihe seien. Weitere offizielle Unterstützungsmaßnahmen für die Sowjetunion hätten allerdings den Nachteil, daß sie das Eingeständnis bedeuten würden, einen Teil dieser Schulden abschreiben zu müssen. Schon das Gerücht an der japanischen Aktienbörse am Mittwoch, Gorbatschow sei angeschossen worden, hatte die D-Mark sinken lassen; Die Tendenz setzte sich am Donnerstag fort, als es hieß, Boris Jelzin sei wieder erkrankt. Bis die Dementis herumkamen, waren erneut große Mengen D-Mark verkauft worden.

Die neue G-7-Tagesordnung sieht nun vor, erst die Weltwirtschaft zu diskutieren, dann über Wechselkurse zu sprechen und sich anschließend den Bericht aus der UdSSR anzuhören. Noch bevor die G-7-Runde das erstemal vollständig war, machte im journalistischen Irrenhaus von Bangkok eine — allerdings glaubwürdige — Information zur Finanzpolitik die Runde: Aus der japanischen Zentralbank sei zu erfahren gewesen, daß es nicht zu einer konzertierten Zinssenkungsrunde durch die USA, Japan und die BRD kommen werde. Damit hätte die schwache Konjunktur der Industrieländer angekurbelt und die Ungleichgewichte im Welthandel zurückgedrängt werden sollen. Ein fallender Yen, so die Überlegung in Washington, müßte die japanischen Exporte senken und so auf die Handelsüberschüsse drücken.

Weil dies sonst inflationsfördernd wäre, müßten zugleich die hohen staatlichen Defizite der anderen Industrieländer abgebaut werden. Dies hatte denn auch der IWF in seinem World Economic Outlook von vier der sieben Länder verlangt: von den USA und Kanada, Italien und Deutschland.

Aber auch gegenüber den Forderungen der Bundesbank nach Sparmaßnahmen zur Finanzierung des ostdeutschen Aufschwungs hatte sich die Bundesregierung schon in der Vergangenheit äußerst resistent gezeigt. Die Hoffnung, daß sich das Budgetloch in Italien durch Sparmaßnahmen oder durch irgendetwas anderes verringern ließe, habe man bereits aufgegeben, klang es im „Outlook“ an. Und die Bilanzprobleme der USA werden erst noch zunehmen — in diesem Jahr gab es nur wegen der enormen Auslandszahlungen für den Golfkrieg eine deutliche Entspannung. Die Interessen der G-7-Mitglieder sind so unterschiedlich, daß es kein Wunder wäre, wenn sie nur beim Kriterienkatalog für UdSSR-Hilfen Einvernehmen erzielen würden.

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