Dallas in Dortmund

■ Was eine "feindliche Übernahme" ist, wissen taz-LeserInnen aus einschlägigen TV-Serien. Krupps perfekter Geheimcoup, sich beim Konkurrenten Hoesch einzukaufen, war mit Sicherheit eine. Offen bleibt: Wie viele...

Dallas in Dortmund Was eine „feindliche Übernahme“ ist, wissen taz-LeserInnen aus einschlägigen TV-Serien. Krupps perfekter Geheimcoup, sich beim Konkurrenten Hoesch einzukaufen, war mit Sicherheit eine. Offen bleibt: Wie viele Arbeitsplätze werden abgebaut?

Die Stimme des schwergewichtigen Mannes, der am Freitagmorgen vor dem Betriebstor des Dortmunder Hoesch-Zweigwerkes Phoenix in die provisorische Lautsprecheranlage spricht, schwillt deutlich an: „Werter Johannes Rau, wir fordern Dich auf, der Belegschaft im Kampf gegen die Mafia- Methoden des Krupp—Managements zu helfen. Wenn Dortmund weiter die heimliche Hauptstadt der SPD bleiben soll, dann mußt du jetzt handeln.“ Die weiteren Worte des Mannes, der für die SPD-Betriebsgruppen bei Hoesch spricht, gehen in dem Beifallssturm der zum Werkstor geeilten Hoeschianer unter.

Wie in Dortmund, versammelten sich am Freitag Überall in der Bundesrepublik Beschäftigte der verschiedenen Hoesch-Standorte, um gegen den Übernahmecoup des Krupp-Vorstandes zu demonstrieren. Allein in Dortmund beteiligten sich 10.000 Menschen. Der Krupp- Deal, also das heimliche Aufkaufen der Hoesch-Aktien, ist für den Hoesch-Betriebsratsvorsitzenden Werner Naß so etwas „wie Denver- Clan im Ruhrgebiet“. Ein örtlicher IG-Metall-Funktionär sprach von „dem größten finanzpolitischen Schurkenstreich“ der Nachkriegszeit.

Daß ausgerechnet der nordrhein- westfälische Wirtschaftsminister Einert (SPD) die Übernahme begrüßt hat, stößt den zumeist sozialdemokratisch wählenden Stahlkochern besonders sauer auf. Da kann es kaum überraschen, daß die IG-Metall- Sprecher an den Hoesch-Standorten im Siegerland schon den Rücktritt des Ministers fordern. Die zentrale Forderung der Hoesch-Beschäftigten zielte am Freitagmorgen indes auf einen anderen Bereich. Sie verlangen von der Landesregierung, daß sie die Machtübernahme durch Krupp stoppt, indem sie die landeseigene Westdeutsche Landesbank (West LB) anweist, dem Krupp-Chef die ihm noch zur Mehrheit fehlenden Aktien nicht zu verkaufen. Wenn Düsseldorf das nicht garantiere, so ein Redner in Dortmund, „machen wir uns auf den Marsch nach Düsseldorf“. Mit der „kampferprobten Hoesch-Belegschaft“, so Betriebsrat Bernd Schimmeyer zuversichtlich, „wird noch mehr möglich sein als in Rheinhausen“.

Wenige Stunden nach den Demonstrationen trafen in Düsseldorf Arbeitnehmervertreter und die Oberbürgermeister aus Dortmund, Bochum, Essen und Duisburg mit Johannes Rau zusammen. Bei dem Gespräch dabei war auch Finanzminister Heinz Schleußer, dem als Vorsitzenden des Aufsichtsrates der West LB eine besondere Rolle in diesem Konflikt zufällt. Dabei versicherte Schleußer nach Angaben des Düsseldorfer Regierungssprechers, daß es „bis zur Prüffähigkeit einer Konzeption“ keine Veränderung der Anteilsrechte geben werde, die West LB also die Aktien so lange behalte.

Rau selbst sprach nach dem Gespräch davon, daß durch die Übernahme „kein Standort der beiden Unternehmen gefährdet“ werde. Eine Verkleinerung im Verwaltungsbereich könne man „aber nicht ausschließen“. Gegenüber seinen Gesprächspartnern beteuerte Rau, im Vorfeld nichts von den geheimen Aktienkäufen gehört zu haben. Er sei genau einen Tag später als der Hoesch-Vorstand informiert worden. Die Landesregierung werde auch jedes andere Konzept prüfen.

Ein Sprecher des zuständigen IGM-Vorstandszweigbüros in Düsseldorf drückte sich gestern bei aller Kritik am Krupp-Vorstand sehr vorsichtig aus: Seine Organisation werde die Krupp-Übernahme „nicht begleiten“.

Zwischen den Betriebsräten von Krupp und Hoesch hat es zwar noch keine ausführlichen Gespräche gegeben. Die schon geknüpften Kontakte würden aber darauf hinauslaufen, so hieß es aus Betriebsratskreisen der beiden Unternehmen, einen „gemeinsamen Forderungskatalog zu entwickeln“. Man werde es der Kapitalseite „nicht gestatten, die beiden Belegschaften gegeneinander auszuspielen“. Walter Jakobs, Dortmund