Hartnäckige Bläschen

■ Einmal Herpes — immer Herpes

Berlin (taz) — Erst zog und spannte die Unterlippe, kurz danach auch die darüber. Zwei Stunden später half auch kein Labello mehr: Linsengroße Bläschen hatten sich am Mund breitgemacht. „Ich konnte zusehen, wie das wuchs“, rekapituliert Till H., 26. „Das“ — damit bezeichnet der Frankfurter Student eine Volkskrankheit, von der zehn Millionen Bundesbürger betroffen sind: Herpes labialis. Die Prognose von Tills Arzt war düster: „Lebenslänglich.“ Wer einmal den Herpes-simplex-Virus (HSV) TypI in seinem Körper hat, der wird ihn nie wieder los. Alle zwei bis drei Monate brechen die eitrig- schmerzhaften Bläschen bei Till aus — auch der Ekel bei Freunden und Fremden. „Wasch Dich halt gründlicher“, wird ihm da schon mal empfohlen. Vorurteile sind hartnäckig. Tatsächlicher Auslöser der Bläschen aber sind Fieber, Sonnenbestrahlung, hormonelle Umstellung oder Streß.

Das Hamburger Herpes Forum e.V. — darunter Dermatologen, Gynäkologen und Psychologen — will mit solchen Vorurteilen Schluß machen. Denn viele der HSV-Infizierten wüßten fast nichts über Auslöser und Therapieformen, berichtete Psychologe Stefan Zettl gestern auf der ersten Pressekonferenz des Herpes Forums in Berlin.

Noch weitaus tabuisierter ist Herpes genitalis; diese — unheilbare — Erkrankung gehört nach Zettls Angaben inzwischen zu den häufigsten durch Geschlechtsverkehr übertragenen Infektionen. Bei Frauen bilden sich die Bläschen meist an den Schamlippen, bei Männern an Eichel und Vorhaut. Zettl: „Von Herpes genitalis befallene Menschen ziehen sich oft zurück, leiden unter Depressionen und Hoffnungslosigkeit.“ Ab November will das Herpes Forum ein Sorgentelefon einrichten. itz