: Endspurt der schweißtreibenden Art
■ Zweite Bundesliga: Blau-Weiß 90 — VfB Oldenburg 3:2/ Rasante Schlußviertelstunde nach beschaulichem Ballgeschiebe
Berlin. Im Nachhinein ist es verständlich, warum die Spieler von Blau-Weiß90 75 Minuten lang so langsam über den Platz schlichen.Sie müssen alle mit dicken Hufeisen in den Fußballschuhen aufgelaufen sein, so wohlgesonnen war ihnen die Macht des Fußballschicksals. Gerade mal so eben schrammten sie an einer Blamage gegen den VfB Oldenburg vorbei.
Dabei reichten ganze fünfzehn Minuten aus, die Trainer beider Mannschaften ungehörig ins Schwitzen zu bringen. Blau-Weißens Wolfgang Metzler derart, daß er wg. ausgiebiger Duscherei erst arg verspätet zur Pressekonferenz erschien. Ersteres sparte sich sein Kollege Wolfgang Sidka aus dem Emsland, so sauer war er über die seiner Meinung nach spielentscheidende Szene. Worüber sich Sidka erregte, war eigentlich ganz simpel. Sozusagen ein klassischer Bauerntrick. Eine Viertelstunde vor Schluß bekamen die Blau-Weißen einen Freistoß zugesprochen, Entfernung dreißig Meter, auszuführen direkt. Normalerweise eine Angelegenheit für Levy, so dachten die Oldenburger und stellten sich zur obligatorischen Mauer. Doch weit gefehlt.
In listiger Weise spielte Jürgen Mohr einen genialen Paß auf den scheinbar unbeteiligt im Strafraum stehenden frisch eingewechselten Andreas Löbmann, welcher diese einmalige Situation, dermaßen frei zu stehen, sogleich zum 2:1 für die Berliner nutzte. Ganz sicher der entscheidende Treffer, schließlich sorgte er dafür, die eineinviertel Stunden währende Verschleppungstaktik beider Mannschaften abrupt zu beenden und somit zumindest für die letzte Viertelstunde ein ahnsehnliches Fußballspiel zu ermöglichen.
Was vorher geschehen war, kann getrost als Rückfall bezeichnet werden, ein Hinunterrutschen in die altbekannte Langeweile und Stupidität, die den Berliner Fußball meist auszeichnet. Oberster Grund schien für die Blau-Weißen dabei die Angst vor einem VfB Oldenburg zu sein, der die meisten Tore in der Zweiten Liga Nord erzielt hat und vor einer Woche den VfL Osnabrück mit 6:1 nach Hause schickte.
In Kopf und Füßen unbeweglich mühten sich Levy und Kollegen erfolglos, die Oldenburger aus ihrer dickköpfigen Abwehrhaltung herauszulocken. Jene jedoch lauerten in ihrer Bosheit auf jede kleine Gelegenheit für ihre geschickten Konter, was auch nach einer Viertelstunde mit dem Führungstor belohnt wurde. Als Antwort fiel den Blau-Weißen das ein, was sie so perfekt beherrschen. Das Spiel aus dem ruhenden Moment, in der Fachsprache als Standardsituation bezeichnet. So beim Ausgleich: Freistoß Levy, Kopfball, Tor, nur diesmal durfte kreativerweise nicht wie üblich Niebel sein lichtes Haupt hinhalten, sondern Verteidiger Kluge.
Von da an bis zum oben beschriebenen Zeitpunkt geschah eher Gruseliges denn Unterhaltsames, dennoch wurden die 2.182 Fans (letztes Jahr sensationell viel, diese Saison Minusrekord) für ihre große Geduld belohnt. Die letzten zehn Minuten flitzten Ball und Spieler beider Mannschaften munter und ungehemmt den Platz hoch und runter, erspielten sich jede Mange Chancen und sogar noch zwei Tore. Der größte Verdienst gebührt bei den Berlinern ohne Zweifel den ehedem in der Schweiz kickenden Löbmann und Mohr. Ihr Zusammenspiel lief wie ein Präzisionsuhrwerk, und würden die anderen Stürmer nur Mohrs Ideen verstehen, der blau-weiße Erfolg wäre nicht nur höher ausgefallen, sondern vielleicht sogar verdient gewesen. Schmiernik.
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