: Die Finanzkollegen übten Nachsicht
Beratungen über die Weltwirtschaft: Industrie- und Entwicklungsländer mit konträren Einschätzungen ■ Aus Bangkok Dietmar Bartz
Gut sind Bundesfinanzminister Theo Waigel und Bundesbank-Präsident Helmut Schlesinger über den G-7- Gipfel gekommen. Am Wochenende vor dem Beginn der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Bangkok hatten sich die Finanzminister und Notenbankchefs aus den USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada getroffen, um über die Weltwirtschaft zu diskutieren. Nach Waigels und Schlesingers Angaben hat sich selbst IWF-Direktor Michel Camdessus zufrieden über die finanzpolitische Situation in Deutschland gezeigt, obwohl der „World Economic Outlook“, das offizielle Perspektivenpapier des IWF, eine Verringerung des hohen deutschen Haushaltsdefizits angemahnt hatte.
Die Interpretation dieser Kritik sei überzogen gewesen, sagte Waigel am Samstag. Auch Camdessus habe die „riesige Herausforderung“ eingeräumt, mit der die Finanzpolitik der Bundesregierung konfrontiert sei. Waigel zufrieden: „Danach hat es keine Diskussion und keine einzige Wortmeldung zu den deutschen Zinsen gegeben.“ Auch Schlesinger meldete „keine besondere Kritik an der Geldpolitik der Bundesbank“.
Das Abschlußkommuniqué ist indes etwas optimistischer. Zwar sei das Wachstum der G-7-Ökonomien in diesem Jahr schwach gewesen. Doch die USA und Kanada seien bereits in der Erholungsphase und Großbritannien auf dem Weg dorthin. Auch in Italien und Frankreich werde das Wachstum wieder zunehmen, während es in Deutschland und Japan moderater werde. Der Inflationsdruck habe nachgelassen, die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte insgesamt auch. Und die G-7 wollten auch weiter ihre Wirtschaftspolitiken koordinieren, um so das — gebetsmühlenartig wiederholte — Ziel eines „selbsttragenden weltwirtschaftlichen Wachstums bei Preisstabilität“ zu erreichen. Ohne Japan und seine Finanzskandale beim Namen zu nennen, einigten sich die G-7 außerdem darauf, die „Integrität der Finanzmärkte“ durch „effektive Maßnahmen“ zu schützen. Finanzminister Hashimoto, der wegen der Skandale nach dem Gipfel zurücktreten wird, hatte auf die Hereinnahme dieser Passage in die Abschlußerklärung gedrungen.
Wiederholt wurden die bereits bekannten G-7-Positionen zur Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer und zum Protektionismus im Welthandel: Vor allem die Schulden der ärmsten Länder sollten— für jedes Land einzeln — weiter reduziert werden; der US-Kongreß solle endlich seine Vorbehalte dagegen aufgeben, ist damit gemeint.
Anpassungsprogramme des Nordens verlangt
Wer die Abschlußerklärungen der G-7-Finanzminister mit der ihrer Kollegen aus den Entwicklungsländern vergleicht, hat allerdings zwei Welten vor sich: die Erste und die Dritte. Die „Gruppe der 24“ (G-24), die sich aus je acht Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens zusammensetzt und eine Art inoffizielles Dach der ärmeren und ärmsten Länder ist, kam ebenfalls am Wochenende zu völlig anderen Einschätzungen.
„Tiefe Sorge“ äußerten die G-24- Minister über die geringen Fortschritte für die Entwicklungsländer, weil die Konjunktur in den Industrieländern, die Zunahme des Welthandels und das Exportwachstum ihrer Staaten nachgelassen haben. Diesmal waren sie es, die — von den Industrieländern — eine strenge Finanzdisziplin und die Beseitigung von Hindernissen auf den Handelsmärkten forderten.
Weiterhin unterminiere die Schuldenlast den Erfolg von Anpassungsprogrammen. Wenn auch die Lage der 15 ärmsten Länder besser geworden sei: von den sechs Ländern, die ihre Umschuldungsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen haben, hätten dennoch nur drei Länder den Zugang zu den Kapitalmärkten wiedergefunden. Ein 50prozentiger Schuldenerlaß wie für Polen und Ägypten, den die G-7-Minister ausdrücklich als Einzelfallentscheidungen bezeichnet hatten, solle auch für Länder mit Einkommen im niedrigen mittleren Bereich gelten.
Seit Ende der 70er Jahre fragen die Industrieländer auf dem Weltmarkt mehr Kapital nach, als sie anbieten. Auch hier sollten sie endlich mit Hilfe ihrer Finanz- und Geldpolitik Anpassungen veranlassen. Heraushalten sollten sich Weltbank und IWF jedoch aus Angelegenheiten, die über ihr wirtschaftliches Mandat hinausgingen — die Kritik der Weltbank an den Militärausgaben war damit gemeint.
Zu den großen Hindernissen für den Welthandel zählten die G-24 nicht nur das bisherige Scheitern der Gatt-Verhandlungen. Die Industrieländer hätten zugleich ihre nichttarifären Handelshemmnisse erhöht, also etwa technische Normen und Qualitätsanforderungen. 20 der 24 OECD-Länder sind nun protektionistischer als vor zehn Jahren.
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