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Als die schwulen Lehrer Tarnkapuzen trugen

■ Die Ausstellung zum 20. Geburtstag der neuen Schwulenbewegung im Schwulen-Museum beleuchtet Hintergründe

Kreuzberg. Was ein Dimmer ist, gehört heute zum Allgemeinwissen. Was jedoch an so einem Schalter zur »Regulierung der Helligkeit des elektrischen Lichts in fließenden Übergängen« (Duden) »reaktionär« sein kann, das wissen nur die Westberliner KämpferInnen der neuen deutschen Schwulenbewegung, die vor genau 20 Jahren entstand. Der Ausstellung Mach Dein Schwulsein öffentlich ist es zu danken, daß nun auch die wie-auch-immer-sexuelle Öffentlichkeit von den Politquerelen um einen Lichtschalter erfährt.

Der am Sonntag eröffnete Querschnitt durch die 70er Jahre der Homobewegung im Schwulen Museum am Mehringdamm zeigt das Corpus delicti in einer Vitrine und beleuchtet die Hintergründe: Beim Umzug der 1971 gegründeten »Homosexuelle Aktion Westberlin« (HAW) von der Dennewitzstraße in die Kulmer Straße, gab es heftigen Streit, als die eingesetzte »Verschönerungsgruppe« die neuen Räumlichkeiten mit einer riesigen Bar und einem Dimmer für verschiedene intime Beleuchtungsstärken ausstatten wollte. Die fortschrittlichsten Bewegungsschwestern erinnerte dies zu sehr an die üblichen kommerziellen »Homo- Bars«, deren Besitzer die zur »Scheinsolidarität« gezwungenen und unter Repression stehenden Homosexuellen dort »ausbeuteten«. Am Ende des Konflikts gab's bei der HAW weder Dimmer noch Bar, nur einen bescheidenen Getränkeausschank. Neben dem Dimmer wird übrigens ein aus der gleichen Periode stammender selbstgetöpferter Aschenbecher in Form eines rosa Dreiecks ausgestellt. Das KZ-Zeichen der von den Nazis verfolgten und vernichteten Schwulen hatte die neue Bewegung gerade als politisches Symbol wiederentdeckt. Nachgebaut sind mit sentimentalem Sinn fürs Detail auch ein typisches Zimmer eines bewegten Schwulen (s. Foto) und eine zum besseren Verständnis der Sprüche und Zeichnungen gnadenlos erhellte Klappe. Gezeigt werden auch Pressezeugnisse, erste Bewegungsbücher und Werke schwuler Künstler. Unter Glas auch die »Tarnkapuzen« für die schwulen Lehrer auf der ersten Homo-Demo Westberlins am Pfingstsonntag 1973 oder ein Plakat der »Homosexuellen Interessengemeinschaft Berlin«(-Ost) aus dem Gründerzeitmuseum in Mahlsdorf, wo das »Klubleben« stattfand.

Doch nicht nur die brisanten Diskussionen der gescholtenen und verehrten Metropolenschwulen um die Tunten, die Chile-Solidarität, Klappen und Parks zeigt die Ausstellung. Auch die Bewegung in der Provinz kommt dran. Denn eigentlich ging alles in Münster los.

Zwei Bewegte (West) von damals beklagten am Sonntag allerdings bitterlich, daß in der Darstellung die »dogmatische, SEW-GEW-dominierte« gegenüber der »undogmatischen, foucaultschen« Linie überwiege. Bei schmähenden Bezeichnungen wie »Bartfraktion« und »Plastikwindjackenträger« kam noch einmal die ganze Härte des Richtungsstreites hoch. kotte

Mach Dein Schwulsein öffentlich , 13. 10. 91 bis 26. 01. 92, mi. bis so. 14 bis 18 Uhr, sa. 17 Uhr Führung. Mehringdamm 61, Berlin 61, 2. Hof, 3. Etage

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