RentnerInnen gehören zu den VerliererInnen-betr.: "Alle Arbeitsplatzbesitzer sind Gewinner der Vereinigung", taz vom 2.10.91

betr.: „Alle Arbeitsplatzbesitzer sind Gewinner der Vereinigung“, taz vom 2.10.91

Während viele Blätter zum Vereinigungstag schönreden und lobhudeln, bietet die taz ein realistisches Bild der Lage auf dem Arbeitsmarkt in den neuen Ländern. [...]

Aber dann kommt ein unverständlicher Satz: „Gewinner sind (neben denen, die Arbeit haben) auch die Rentner in der ehemaligen DDR: die Vereinigung hat ihnen deutlich höhere Renten beschert.“ Das kann nur ein realitätsferner Wessi oder Besserwessi geschrieben haben.

Was die RentnerInnen zum Leben notwendig brauchen, ist um so vieles teurer geworden, daß das Mehr an Rente nicht nur aufgefressen, sondern die Substanz angefressen wird. Wir RentnerInnen brauchen in der Mehrzahl keine neuen Autos, keine HiFi-Anlagen, keine neuen Farbfernseher und dergleichen mehr —Sachen, die heute billiger zu haben sind—, wir brauchen unsere tägliche Nahrung, Kleidung, Wohnung, Kommunikation, kulturvolle Freizeitgestaltung (Konzert, Theater, Kulturveranstaltungen aller Art). Das alles aber ist teurer geworden: die früher subventionierten Grundnahrungsmittel, die Postgebühren, die Nahverkehrstarife, die Energiekosten, alle Reparaturen, alle Eintrittskarten, die medizinische Versorgung, die Mieten. [...] Jede/r, der früher ein Ausgabenbuch geführt hat und das heute noch tut, kann beweisen: Die RenterInnen gehören zu „Verlierern“ der Vereinigung. Da war der 'Stern‘ in seiner Nummer zum Jahrestag der Vereinigung (41/91, Seite 38) realistischer: Er nannte „die Altersversorgung derart kümmerlich, daß selbst mindeste Ansprüche nicht gedeckt werden“. Wenn von der arbeitsfähigen Bevölkerung zirka ein Drittel ins Aus geraten ist, sind es von den RentnerInnen mindestens zwei Drittel. [...] Bis sie nämlich in den Genuß eines zu erwartenden Aufschwungs kommen können, sind die meisten von ihnen schon unter der Erde beziehungsweise im Himmel, auf den sie als einziges noch hoffen dürfen, wenn sie können. Hubert Mohr, Drolshagen