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Spielsucht-betr.: "Ödipus am Spielautomaten", taz vom 27.9.91

betr.: „Ödipus am Spielautomaten“, taz vom 27.9.91

Spielen kann eine Sucht werden; es wird aber nach wie vor nicht als Krankheit anerkannt. In einer Anfrage an die nordrhein-westfälische Landesregierung versuchte ich kürzlich festzustellen, ob Bewegung in diese hilflose Reaktion auf ein weit verbreitetes Problem unserer Gesellschaft gekommen ist. Anlaß war der Hinweis aus einer der wenigen Spielerberatungsstellen, daß die Vergnügungssteuer in Nordrhein-Westfalen zum 1.Juli 1988 mit der Begründung angehoben worden war, damit die Zahl der Spielautomaten zu senken und so indirekt der Spielsucht etwas entgegenzusetzen. Wurde dieses Ziel erreicht? Der zuständige Minister Heinemann erklärte, erst seit Anfang 1991 gehe die Zahl der Spielautomaten zurück, und dieser Rückgang stehe in Zusammenhang mit der damals erfolgten bundesrechtlichen Neuregelung. Der 1988 von der Landesregierung versprochene Rückgang der Anzahl Spielsüchtiger konnte nicht nachgewiesen werden.

Mittlerweile sieht auch Minister Heinemann, daß das Instrument der Vergnügungssteuer-Erhöhung zur Bekämpfung der Spielsucht nicht ganz das richtige ist. Noch am 16.September — in seiner Antwort auf meine Anfrage — wiegelt er ab: Vom Ergebnis laufender wissenschaftlicher Diskussionen hänge es ab, ob die Landesregierung sich für eine Anerkennung der Spielsucht als Krankheit im Sinne der Reichsversicherungsordnung einsetze. Wenige Tage später stellt er sich der Presse als der Vorreiter bei der Anerkennung der Spielsucht als Krankheit dar.

Ich hoffe mit den Betroffenen, die therapeutische Hilfe einfordern, daß Minister Heinemann über weitere landespolitische Maßnahmen als die Prävention über Information von Multiplikatoren, Gewerbe und Ordnungsbehörden zur Bekämpfung der Spielsucht nachdenkt. Finanzielle Übergangshilfen für die völlig überforderten Beratungsstellen und der Ausbau der Beratung von SchuldnerInnen zur Vermeidung von Beschaffungskriminalität sind zwei der vielen Möglichkeiten, hilfesuchenden SpielerInnen unter die Arme zu greifen. Michael Vesper, Die Grünen im Landtag NRW, Düsseldorf

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