piwik no script img

Bunkerkammern für neue Atombomben

Hardthöhe erteilt falsche Auskunft über Nato-Planungen für TASM-Rakete/ Schriftliche Anfrage im Bundestag bislang nicht beeantwortet  ■ Von Andreas Zumach

Berlin (taz) — Die Bundesregierung möchte vor der bevorstehenden Nato-Tagung diese Woche in Sizilien sowie angesichts unterschiedlicher Haltungen von Verteidigungsministerium und Außenministerium eine öffentliche Festlegung zur Frage einer Stationierung neuer flugzeuggestützter Atomraketen (TASM) in der Bundesrepublik vermeiden.

Die — nach der Geschäftsordnung — längst überfällige Antwort auf die schriftliche Anfrage eines Bundestagsabgeordneten zu diesem Thema wurde bis gestern nicht erteilt. Zugleich dementierte die Bundesregierung jedoch in einer vertraulichen mündlichen Unterrichtung von Mitgliedern des Verteidigungsausschusses wesentliche Aussagen eines taz- Artikels vom 24. September, der die schriftliche Anfrage ausgelöst hatte. Darüber hinaus stellte die Hardthöhe in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses die bisherigen TASM-Planungen der Nato in einem entscheidenden Punkt falsch dar. Die taz hatte am 24. September über einen Mitte September mit ausdrücklicher Zustimmung des — von der Hardthöhe entsandten — deutschen Vertreters gefaßten Beschluß des Brüsseler Nato-Gremiums „Senior Weapons Protection Group“ berichtet.

Danach soll der 1989 vor allem in der Bundesrepublik begonnene Bau spezialgehärteter unterirdischer Bunkerkammern zur „Lagerung atomarer Abstandsraketen und Bomben in Westeuropa“ auch nach den politischen Umwälzungen in Osteuropa und der UdSSR fortgesetzt werden.

Der Brüsseler Beschluß, so hieß es im September in der Nato-Zentrale, bedeute, daß auch nach dem vorgesehenen Abzug der landstationierten Artilleriegranaten und Atomraketen aus Westeuropa die verbleibenden flugzeuggestützten Atomarsenale der USA zum überwiegenden Teil in der Bundesrepublik stationiert werden. Dieses zur Zeit aus rund 1.400 Bomben bestehende Arsenal soll nach bisherigen Nato-Planungen ganz oder teilweise durch neue atomare Abstandsraketen (TASM) ersetzt werden.

Auf Fragen im Unterausschuß Rüstungskontrolle und Abrüstung des Verteidigungsausschusses unter Bezug auf den taz-Artikel bestritt der Vertreter der Bundesregierung jeglichen Zusammenhang zwischen dem „ausschließlich für Atombomben vorgesehenen“ Bunkerkammerbau und der etwaigen Stationierung der TASM.

Dagegen erklärten unter anderem der damalige Luftwaffengeneral Yates und der zuständige Staatssekretär im Pentagon, Welch, bereits am 16.März 1989 vor dem Haushaltsausschuß des Abgeordnetenhauses, eine vom Pentagon vorgegebene Bedingung für die Entwicklung der TASM-Rakete sei, daß sie in diese Bunkerkammern passen müsse. Welch und Yates erklärten außerdem, daß die ersten Nato-Planungen für eine flugzeuggestützte Abstandsrakete (TASM) bereits im Zusammenhang mit dem Montebello-Beschluß der Nato von 1983 zur „Modernisierung“ des atomaren Arsenals in Westeuropa erfolgten. In einem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesverteidigungsministerium, Henning, an den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Wittmann (CDU), vom 8.Oktober 1991 heißt es hingegen, die Entscheidung für das Bunkerkammern-Bauprogramm sei „bereits im Jahre 1987 erfolgt. (...) Völlig unabhängig von Entscheidungen über die Modernisierung von Nuklearwaffen oder der Entwicklung eines Abstandsflugkörpers (TASM), die damals noch nicht anstanden und auch heute nicht anstehen.“

Bezüglich der vom SPD-Abgeordneten Erler in einer Anfrage vom 27. September verlangten Information über Standorte und Anzahl der Bunker verweist Henning auf die im Nato-Bündnis „gemeinsam festgelegte, verpflichtende Geheimhaltungsregelung“.

Die Anfrage wurde am 1. Oktober von der Hardthöhe an das Bundeskanzleramt weitergeleitet und — entgegen der vorgeschriebenen Einwochenfrist — bis gestern nicht beantwortet.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen