„Der Jude mußte erst gemacht werden“

■ Ausstellung „Aus Nachbarn wurden Juden“ im Staatsarchiv

Kinder

Kindergruppe des Sportvereins Makkabi, Berlin 1936 F.: Abraham Pisarek

Tausende von rechten Armen in die Luft gestreckt, Nazi-Aufmarsch im Grunewald-Stadion in Berlin 1933. Daneben eine Tafel: „Der offene und latente Antisemitismus in der deutschen Bevölkerung war für die neuen Machthaber ein willkommener Anknüpfungspunkt, um nicht nur die Juden, sondern alle mißliebigen Personen auszuschalten.“

Der Anfang der Ausstellung „Aus Nachbarn wurden Juden“

beim Sport

zeigt eine Momentaufnahme des kollektiven Rausches, den die Nationalsozialisten bei der Mehrheit der Deutschen auslösten.

Zu sehen sind im Staatsarchiv Texte und Fotos zum jüdischen Alltag 1933 bis 1942. Der Prozeß der Aussonderung einer Gruppe bis hin zu ihrer Deportation wird sichtbar, auch der Versuch, der nationalsozialistischen Unterdrückung standzuhalten oder zu entkommmen. Alle Fotografien der Ausstellung stammen von Abraham Pisarek, der als Zwangsarbeiter in Berlin überlebte, da er in einer sogenannten „Mischehe“ lebte. 1984 starb er in Berlin, wo er als Theaterfotograf die Theatergeschichte der Nachkriegszeit festgehalten hatte.

„Der Jude mußte erst gemacht werden“. „Der Jude“ war ein Phantom der Nazi-Propaganda. Die Vielfalt jüdischen Lebens zeigt der zweite Abschnitt: Eine Straßenszene, Alltag in der Berliner Grenadierstraße; die Innenansicht einer Rabbiner-Schule; eine Aufnahme einer Versammlung des „Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten“. Ein weiterer Abschnitt ist der „Kultur“ gewidmet. Ein Lesesaal in einem jüdischen Altersheim ist zu sehen, einige alte Damen und Herren sit

zen da vor einem riesigen Bücherschrank beieinander und schauen versunken in ihre Bücher, nur eine alte Dame blickt von ihrer Zeitungslektüre auf und schaut dem Fotografen Pisarek bei der Arbeit zu. „Post für den Kulturbund“ ein anderes Bild: Ein Waschkorb voller Briefe, die einige Menschen auf einem Tisch sortieren. Der Kulturbund, ein Zwangsverband, sollte im Ausland den Eindruck verbreiten, die Juden würden in Nazi-Deutschland nicht verfolgt. Doch er wurde für die Nazis zu einem Instrument der Erfassung jüdischer Künstler und Intellektueller.

Selbsthilfe wurde überlebenswichtig. Pisarek fotografierte eine Volksküche im Jahr 1939, weiße Decken liegen auf den langen Tischen, trotz erzwungener Armut versuchte man eine gewisse Form zu wahren. Mit Umschulungsmaßnahmen versuchte man der Arbeitslosigkeit durch die Berufsverbote zu umgehen, nützlich sollten sie auch im Falle der Auswanderung sein. Millionen konnten nicht entkommen. Das letzte Foto: Leichenberge aus Auschwitz. Juan

Öffnungszeiten: Mo-Fr 9-16 Uhr;

zur Ausstellung erschien ein Katalog im Transit-Verlag, herausgegeben von Hazel Rosenstrauch, 24 Mark