: Hans-Wendt-Filz vor Gericht
■ Buchhalterin unterschlug DM 470.000, ihr Chef nur 130.000 und vertraute ihr
Hat denn der Geschäftsführer nie einen Anlaß gesehen, die Arbeit des Verwaltungsleiters zu kontrollieren, fragte gestern Richter Fangh den Hans-Wendt-Geschäftsführer. Warum hat denn der Verwaltungsleiter Ziebarth den Auftrag an die Wirtschaftsprüfgesellschaft gegeben, wo es doch um die Kontrolle seiner eigenen Arbeit ging? „Internes controlling gab es nicht“, sagt der Geschäftsführer, dem Testat der Wirtschaftsprüfgesellschaft habe er volles Vertrauen geschenkt und außerdem sei Ziebarth, sein Untergebener, gleichzeitig auch Vertreter des Rechnungsprüfers im Hans-Wendt-Vorstand, das heißt, er gehörte irgendwie zu dem übergeordneten Gremium. „Das ist eben Filz“ raunt es hinten auf den Bänken der Zuhörer.
Der Filz in der Hans-Wendt- Stiftung regiert bis in den Gerichtssaal hinein, wo sich gestern die Buchhalterin F. wegen Veruntreuung und Betrug zu verantworten hatte. Über 9 Jahre war ein warmer Regen auf ihr Privatkonto niedergegangen, in der Summe 470.000 Mark. Der Richter verlas: „10.11.1987: 5743 Mark40; 3.12.1987: 3512 Mark20; 10.12.1987: 6125 Mark30; 5.1.1988 4261 Mark17, usw — bis zu jenem letzten Scheck am 10.8.1989 über 3176 Mark13. Zwischen 6.000 und 10.000 Mark monatlich zweigte die Buchhalterin für sich privat ab. Sie kam selten und unregelmäßig zur Arbeit, verstand sich mit dem Verwaltungsdirektor dafür verdächtig gut, der sie nie an die normalen Bürozeiten erinnerte — aufgefallen war das jedem, der in der Hans-Wendt-Zentrale Zugang hatte.
Ziebarth bestreitet, gewußt zu haben, daß seine Buchhalterin dreimal soviel wie er veruntreut und in teuren Klamotten und Weltreisen verjubelt hat. Die Buchhalterin aber konnte gestern zu ihrer Entlastung auf die pikante Verwicklung des Hans-Wendt-Betrügerpäarchens verweisen: Da sie 1984 herausbekommen hatte, daß Ziebarth, ihr Chef, Gelder auf sein Privatkonto abzweigte und geschwiegen hatte, konnte sie auch auf sein Schweigen vertrauen. „Die gesamte Buchhaltung wurde nicht kontrolliert“, erklärte sie dem Gericht. „Soll und Haben haben immer gestimmt“, beteuerte der Verwaltungsleiter, er habe keinen Anlaß zu Zweifeln gehabt. Als ihm schließlich Unregelmäßigkeiten aufgefallen seien, habe er dann aber weiter geschwiegen, weil die Gefahr bestand, daß bei einer Prüfung auch seine Veruntreuungen auffallen würden...
Beim nächsten Gerichtstermin am Freitag wird es um die Frage gehen, wie Wirtschaftsprüfer Teschner trotz der Querüberweisungen auf Privatkonten jahrelang eine „ordnungsgemäße Buchhaltung“ testieren konnte. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen