: Makabres Gelächter vor Gericht
■ Ex-Republikaner-Chef Pagel freute sich im Prozeß gegen Ayhan Ö. über ausländerfeindliche Haltung einer Zeugin/ Ehemaliger Boxmeister und ein Namensvetter des Angeklagten gehört
Moabit. Im Prozeß gegen den 22jährigen Ayhan Ö. gab es gestern eine makabre Szene: Der ehemalige Landesvorsitzende der »Republikaner«, Carsten Pagel, der die Eltern des getöteten »Republikaners« Rene G. als Nebenkläger vertritt, brach in unverhohlenes Freudengelächter aus, als eine Zeugin ihre Meinung zu den rechtsradikalen Parolen »Deutschland den Deutschen« und »Ausländer raus« kundtat. »Das paßt doch allgemein in Deutschland«, sagte die 22jährige Uhrmacherin, die mit einem der Freunde des Toten bekannt ist. Auf die Frage von Verteidiger Enners, ob sie so etwas denn gut heiße, erklärte die Zeugin: »Ja.« Pagel amüsierte sich darüber offensichtlich köstlich.
Dem in der Türkei geborenen und Berlin aufgewachsenen Ayhan Ö. wird vorgeworfen, am 10. November 1990 in einem S-Bahnzug in Marzahn den Republikaner Rene G. mit einem Messerstich in die Schläfe getötet und zwei seiner Begleiter schwer verletzt zu haben. Ayhan Ö. beruft sich auf Notwehr. Er sei von sechs Personen mit Waffen bedroht und getreten worden. Außerdem hätten die Rechtsradikalen »Heil Hitller«, »Deutschland den Deutschen« und »Ausländer raus« gegröhlt. Rene G.'s Freunde bestreiten jedoch, die Auseinandersetzung provoziert zu haben.
Am gestrigen vierten Verhandlungstag wurde der frühere Boxmeister Horst Bendenz auf Antrag der Nebenkläger als Zeuge gehört. Bendenz bestätigte, daß er von Ayhan Ö. mehrere Monate vor dem Vorfall in der S-Bahn in der Innenstadt mit einem Messer bedroht worden sei. Er mußte allerdings einräumen, daß er den Angeklagten, der mit seinem Lieferwagen das Auto des Boxers zugeparkt hatte, zuvor laut beschimpft hatte. An den Inhalt der Beschimpfung wollte sich der Boxer jedoch nicht entsinnen können.
Ein Kriminalbeamter, der kurz nach der Tat die Freunde des Toten vernommen hatte, bestätigte, daß einer von ihnen damals ausländerfeindliche Parolen in der S-Bahn zugegeben hatte. Ein anderer Zeuge habe bestätigt, daß fast alle der Gruppe vermummt gewesen seien. Wie berichtet, behaupten die Zeugen inzwischen, bei der Polizei eine Falschaussage gemacht zu haben, weil sie eingeschüchtert worden seien. Der Kripobeamte bestritt dies.
Am späten Nachmittag wurde ein Namensvetter von Ayhan Ö., der mit diesem aber nicht verwandt ist, aus der Haft als Zeuge vorgeführt. Der 24jährige Erdan Ö., der wegen Betäubungsmittelmißbrauchs einsitzt, hatte eine Woche nach der Tat bei der Polizei berichtet, daß sich ihm gegenüber ein Mann namens Ayhan, genannt Andi, mit der Tat in der S-Bahn gebrüstet und ihm ein Messer gezeigt habe. Gestern wollte Erdal Ö. sich an eine solche Begegung zunächst nicht erinnern können. Später bestätigte er eine solche Begegung im Alextreff dann aber doch. Der Mann sei aber auf keinen Fall der Angeklagte gewesen. »Ich habe ihn nie im meinem Leben gesehen.« Der Prozeß soll heute mit dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen und den Plädoyers fortgesetzt werden. plu
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