: Jeden Monat exclusiv die Turbulenzen der Liebe
Noch immer schreibt 'Prinz‘ rote Zahlen/ Dumpingpreise gerichtlich verboten ■ Von Thomas Meiser
Werner Marcinowski steht auf Adel, denn der Verleger aus dem Kohlenpott besitzt ein ganzes Viertel von 'Prinz‘. Der Rest der in zehn westdeutschen Städten monatlich erscheinenden Stadtillustrierten gehört dem Jahreszeiten-Verlag.
Die beiden Eigentümergruppen stehen ziemlich unter Druck, denn das vor fünf Jahren im Revier gestartete Verlagsprodukt schreibt immer noch keine schwarzen Zahlen. Die Expansion durch Auflagensteigerung schreitet nicht so rasch voran wie zunächst geplant. „Wir gehen davon aus, daß wir bis Ende '92 monatlich eine Viertelmillion Exemplare verkaufen“, meint Marcinowski voller Zuversicht. Dann wäre der Break-even-point erreicht. Aber bis jetzt fehlen noch rund fünfzigtausend regelmäßige Abnehmer. Ungewiß ist, ob sie überhaupt zusammengebaggert werden können. Denn in der Vergangenheit haben die Vasallen des Prinzen so gut wie alles probiert, was klassischerweise dem Absatz eines zeitgeistlichen Metropolenführers als förderlich gilt: Nimmermüde sind ganze Redaktionen Nacht für Nacht durch die lokalen Dancefloors getrottet, um produktbekanntheitssteigernde Kondome unter die Zielgruppe zu bringen. „Damits kein Prinz wird.“ Und noch bis zum nächsten Februar findet man in jedem 'Prinz‘ einen auf naiv gepinselten LTU-Jet, der „das Fliegerspiel“ visualisiert. Die Regeln dieses Spiels bringen zwar keine Lawine zum Rollen, aber sie gelten seit einem halben Jahrhundert als Instrument, um Produktbindungen zu erhöhen: „Wer diesen 'Prinz‘ genau durchschaut, findet die Antwort zu unseren Preisfragen.“
Uhren, Fußballtickets und Sendezeit bei Seichtsendern werden mit dem selben Kalkül verlost. Selbst an die Gürtellinie wagen sich die Adelsschreiber: Im September suchte die Hamburger Zentralredaktion — sie beliefert die zehn Lokalausgaben mit einem umfangreichen Mantelteil — eine Redakteurin, „der nichts Zwischenmenschliches fremd ist“. Dieser Spezialistin ist als Aufgabe zugedacht, „den Themenbereich Beziehung/Erotik zu betreuen“.
Auf dem gleichen Terrain bewegt sich bereits 'Prinz‘-Kolumnist Rolf Lenz. Er setzt sich „jeden Monat neu exclusiv den Turbulenzen der Liebe aus“. Beispielsweise vertritt er die enttabuisierte These: „Das Betreiben einer Tanzschule ist die einzige Form der Kuppelei, die nicht unter das Strafgesetzbuch fällt.“ Sodann belegt er sie exemplarisch. „Sobald Tommy eine Frau lang genug angebalzt hat und in ihren Blicken keine Tanzlust mehr zu erkennen braucht, greift er ihr einfach an den Busen.“ Für Wolfgang Berke, Chefredakteur des auflagenstärksten 'Prinz‘, ist Lenz' Anekdote keine sexistische Aussage. Den Branchenspott von der Sexpostille, begründet durch sexistische Cover und Geschichten wie Pornos? Find' ich gut! weist Berke glatt von sich. „Wenn wir frauenfeindlich wären, würden unsere Frauen hier nicht arbeiten.“ Auch für den Marketingchef in der Verlagszentrale, Thomas Spar, ist der Sexismus-Vorwurf kein Thema. Im Gegenteil — das permanente Beackern von Sexthemen ist für ihn unverzichtbarer Bestandteil der Produktkonzeption. „Wir kommen nur dem Leserbedürfnis nach, indem wir eine Ratgeberfunktion erfüllen. Kennenlernen in der Großstadt, das reicht bis zum One-Night-Stand.“ Aber er räumt auch ein, daß sich zu dem Ziel, die Auflage zu maximieren, die üblichen Querverbindungen herstellen lassen. Doch selbst mit dem gemeinhin auflagensteigernden Sexualitätsthema scheint der erwünschte stabile Leserzuwachs nicht erreichbar.
Immer mehr setzten die 'Prinz‘- Blätter auf Methoden der Auflagensteigerung mit wettbewerbsrechtlich umstrittenen Methoden. In Köln, Berlin und im Ruhrgebiet wurden 'Prinz‘-Nummern zum Schleuderpreis von neunundneunzig Pfennig angeboten. Neben dem ewigen Versuch, neue Erstleser in seiner Zielgruppe (konsumorientierte, latent apolitische Menschen um die Zwanzig) zu gewinnen, greift 'Prinz‘ damit jetzt die unabhängigen Stadtmagazine direkt an. Deren Gesamtauflage liegt bei deutlich über einer halben Million. Aber sie haben natürlich keinen Großverlag im Rücken. „Offensichtlich soll jetzt über den Preis versucht werden, die unabhängigen Stadtmagazine vom Markt zu verdrängen“, sagt denn auch Christian Henning, der Herausgeber der Ruhrgebietsillustrierten 'Marabo‘, in deren Verbreitungsgebiet vor wenigen Tagen die älteste 'Prinz‘-Ausgabe zum fünfjährigen Jubiläum eine einstweilige Verfügung mit dem Verkaufsverbot kassierte. Aber auch in Köln und Berlin, wo der 'Prinz‘ ganze drei Monate für weniger als eine Mark angeboten werden sollte, spielten die Gerichte nicht mit, das Dumping gilt als sittenwidrig. So sind die 'Prinz‘-Vasallen jetzt am Grübeln. Und längst ist im Gespräch, den ebenfalls optimierungswürdigen Jahreszeiten-Titel 'Tempo‘ mit dem 'Prinz‘ als 14tägige Erscheinung zu vereinen. Etwa als Speed-King.
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