: Castro: „Sozialismus um jeden Preis“
■ Parteikongreß bestätigt alte Linie/ Reformer im Politbüro/ Private Handwerksbetriebe zugelassen
Havanna/Berlin (dpa/wsp/taz) — Ein tropischer Regen ging am Montag abend auf die Provinzstadt Santiago de Cuba herunter, als Fidel Castro seine Abschlußansprache an den vierten Kongreß der Kommunistischen Partei hielt. Aus der erwarteten Mammutrede — der Staats- und Parteichef hat bei anderen Gelegenheiten schon halbe Tage lang ins Mikrofon gesprochen — wurde diesmal nichts. In nur eineinhalb Stunden hatte Castro seinen rund 200.000 ZuhörerInnen das Wesentliche gesagt: „Es wird Sozialismus um jeden Preis geben.“ Lediglich einige institutionelle und personelle Reformen sollen die „sozialistische Demokratie“ auf der Insel „perfektionieren“.
Geändert haben sich freilich die internationalen Rahmenbedingungen. Den Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa wertete Castro als „politische Katastrophe“. Nun soll offenbar Cuba die Stafette übernehmen. Sein Land habe jetzt die „weltweite Verantwortung“ im Kampf für die sozialistische Idee, sagte Castro trotzig. Auch wenn es sich in „eine kleine Insel der Revolution verwandelt“ habe, die umgeben sei von Kapitalismus. Und auch wenn die letzten „existierenden sozialistischen Staaten über 15.000 Meilen entfernt“ seien.
Wenige Stunden zuvor war Castro als Erster Sekretär der KP bestätigt worden. Vizesekretär blieb erwartungsgemäß sein Bruder Raul Castro. Die 1.600 Delegierten statteten zugleich das 225 Mitglieder starke Zentralkomitee mit „außerordentlichen Befugnissen“ aus, auch wenn dieser Schritt der zuvor angekündigten stärkeren Trennung von Staat, Regierung und Partei widerspricht. Künftig kann das ZK auch politische und wirtschaftliche Entscheidungen treffen. Außerdem kann es Beschlüsse der Regierung und des Parlaments „fördern“, die der Verteidigung von „Vaterland, Revolution und Sozialismus“ dienen.
Aus dem Politbüro mußten fünf VertreterInnen der „alten Garde“ ausscheiden — unter ihnen Kulturminister Armando Hart sowie Vilma Espin, Vorsitzende der kubanischen Frauenorganisation. An ihre Stelle traten Repräsentanten der aufsteigenden Führungsschicht. Zu ihnen zählen der im abgeschafften Parteisekretariat für Ideologie zuständige Carlos Aldana, ein Verfechter wirtschaftlicher Öffnung, der Führer der Kommunistischen Jugend, Roberto Robaina, und einer seiner Vorgänger auf diesem Posten, Carlos Lage. Eine Direktwahl der höchsten Staatsämter lehnte der Kongreß ab. Aber der Volkskongreß soll künftig direkt gewählt werden.
Besonders hart für die Bevölkerung ist, daß der Kongreß die erhoffte Wiederzulassung von privaten Bauernmärkten ablehnte. Trotz der Versorgungskrise mit Lebensmitteln, die zum Jahresende, wenn die Sowjetunion aus weiteren Lieferverträgen ausscheidet, noch zunehmen dürfte, bezeichnete der Kongreß die Gefahren als zu groß. Denn bei derartigen Märkten würden sich erfahrungsgemäß vor allem Zwischenhändler und Spekulanten etablieren. Erstmals zugelassen wurden hingegen kleinere Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe. Auch gezielte ausländische Investitionen sollen gefördert werden.
„Sie diskutieren über kleine Verbesserungen, während die Wirtschaft und die Gesellschaft wegen der Krise den Bach heruntergehen“, kritisierte anschließend der kubanische Regimekritiker Gustavo Arcos in Havanna. Die geplante Einführung von Direktwahlen für den Volkskongreß bezeichnete er als „Farce“. dora
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