: Republiken verzögern Vertrag
Auf dem IWF-Gipfel in Bangkok streiten sich die Abgesandten aus der UdSSR über die Unterzeichnung ■ Aus Bangkok Dietmar Bartz
Einerseits dementieren Finanzminister und Notenbankchefs der G-7 auf das fleißigste, es gebe einen geheimen Plan der Industrieländer für Hilfsmaßnahmen, falls die UdSSR in Zahlungsschwierigkeiten gerate. Andererseits merkte gestern etwa Eberhard Martini, Chef des Bundesverbandes deutscher Banken, an, es gebe einen Unterschied zwischen Verhandlungen und Mitteilungen darüber. Für große Aufregung beim IWF/Weltbank-Treffen in Bangkok hat jedenfalls ein Bericht der 'Financial Times‘ über das angeblich geheime Hilfspaket gesorgt. Es sei auf Betreiben der Europäer, vor allem der Deutschen, nicht im Abschlußkommuniqué vom letzten Sonntag enthalten gewesen. Die Deutschen hätten eingewandt, eine Veröffentlichung würde die Republiken nicht gerade dazu ermuntern, Geld an das Zentrum zu überweisen.
Der 'Financial Times‘ zufolge könnte das Hilfspaket einen Überbrückungskredit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, der durch sowjetisches Gold gedeckt ist, enthalten, ferner weitere Kredit und einen Zahlungsaufschub für fällig werdende Kredite. Für die letzten vier Monate habe die Sowjetunion ein Defizit von sieben Milliarden Dollar. Die 'New York Times‘ wiederum hatte zuvor berichtet, nur verzweifelte Maßnahmen in den letzten eineinhalb Jahren hätten es der UdSSR erlaubt, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Dafür habe sie ihre GoldrReserven und die Edelsteinförderung eingesetzt. Am schlimmsten sei, daß die Zentralbehörden die Hartwährungskonten unabhängiger Staatsbetriebe geplündert hätten. Der Westen würde das Problem schwer unterschätzen.
Nach dem Bericht von Grigori Jawlinski an die G-7 hat die Sowjetunion noch Geld für zwei Monate; die Goldreserven belaufen sich auf 242 Tonnen. Nachdem Franzosen und Deutsche einen US-Vorschlag verworfen hatten, der SU einen Zahlungsaufschub zu gestatten, sagte Staatsbankchef Viktor Geraschtschenko, die Währungsreserven lägen „nahe bei Null“.
Derweil mehren sich die Berichte über Schwierigkeiten mit dem Wirtschaftsvertrag. Die inoffizielle Nachrichtenagentur 'Interfax‘ berichtete, die russische Regierung weigere sich, eine überrepublikanische Zentralbank zuzulassen. Am Montag hatte in Bangkok der Vize- Chef der ukrainischen Nationalbank, Sawtschenko, angekündigt, die Ausgabe eigenen Geldes und eine eigene IWF-Mitgliedschaft würden angestrebt. Dies hat Jawlinski zu der Anmerkung bewegt, allein eine Druckmaschine würde 12 Millionen Dollar kosten. Daraufhin gab Sawtschenko bekannt, es seien bereits Grivnas im Wert von 30 Milliarden Rubel gedruckt worden.
In Moskau schließlich teilte ein Gorbatschow-Sprecher mit, die Unterzeichnung des Wirtschaftsvertrages durch zehn Republiken einschließlich der Ukraine, der für gestern vorgesehen war, sei auf Freitag verschoben worden. Der ukrainische Premierminister Fokin stehe dem Vertrag nur deswegen aufgeschlossen gegenüber, weil er zu einer Gruppe „alter Männer ohne gute Erziehung“ gehöre, sagte Sawtschenko. Das Parlament werde dem Vertrag nicht zustimmen.
Zu guter letzt berichtete das 'Asian Wall Street Journal‘, US-Beamte hätten den Eindruck, daß der IWF schlecht für seine UdSSR-Aufgabe gerüstet sei. Es sei, „als ob ein Doktor, der auf gebrochene Beine spezialisiert ist, gefragt wird, ob er eine Herzplantation an einem Krebs- Patienten vornehmen wolle, der Alkoholiker ist.“
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