: Der Kiez, der Koch und das »Kübeln«
■ Am 5. Oktober gab es einen »Kübel«anschlag mit verwesten Tauben, Maden und Pferdekot gegen das Restaurant »Auerbach«/ Kommt Dialog zwischen dem Besitzer und den Küblern zustande?
Kreuzberg. Zwischen der Kneipe »Alt-Berlin« und der »Interessengemeinschaft CB-Funker, Skatspieler und Schachfreunde« liegt in der Köpenicker Straße in Kreuzberg — angrenzend ans Gewerbegebiet — das nicht ganz preiswerte Restaurant »Auerbach«. Gepachtet hat es der Koch Richard Weilacher (40) vom »Forum Kreuzberg«, einer anthroposophischen Einrichtung. Sein Restaurant (Hauptgericht etwa 32.50 Mark) gibt es seit drei Jahren, Weilacher wohnt nach eigenen Angaben »seit sieben Jahren im Kiez«. Vorher gab es hier ein vegetarisches Restaurant.
Am 5. Oktober wurde im »Auerbach« ein ziemlich ordinäres Gericht serviert. Ein dutzend vermummter KreuzbergerInnen kippte die stinkende Mischung aus »drei Tauben (mit Maden gefüllt), zwei Kilo Pferdemist, ein Kilo Fleischmaden, zwei Kilo Hundefutter, zwei Kilo Blättermagen und zwei Liter Wasser« in den Speiseraum, wie akribisch im Bekennerbrief ausgeführt wurde.
Name der Mixtur: »Pigeon a la Olympique«. Zweck der Aktion: »Kübels Comeback«, nachdem die letzten Aktionen gegen das SO-36- Restaurant »Maxwell« schon »viele Jahre her sind«. Die Ursachen für den jetzigen Angriff hätten sich verschärft, heißt es in einem Beitrag der Kübler in 'Interim‘, der autonomen Wochenzeitung: »Saftige Mieterhöhungen, höhere Strom-, Wasser- und Telefongebühren, schwindelerregende BVG—Preise, erhöhte Krankenkassenbeiträge, Arbeitslosenversicherungsbeiträge, Benzin- und Heizungskosten etc«. In dieser Situation kämen viele »Menschen aus dem Wohlstand nach Kreuzberg, um in einem ‘ambiente sauvage‚ ein feines Häppchen zu sich zu nehmen«. Die Gäste im Auerbach bezahlten für ein Menu soviel wie »wir für das Essen eines ganzen Monats«. Armut werde »als Exotik verkauft«.
Besitzer Richard Weilacher, der sich zu Unrecht attackiert sieht, räumt ein, daß die »Entwicklung in Kreuzberg berechtigten Anlaß zu derartigen Befürchtungen« gebe. »Diese werden aber nicht durch uns veranlaßt.« Ihm und seinen Leuten gehe es nicht um »das Schwelgen im Luxus«, sondern darum, »zu menschenwürdigen Bedingungen einigermaßen selbstbestimmt arbeiten zu können«. Weilacher: »Ich stehe zu meinem Beruf, ich habe keine Lust, nur Fritten in die Friteuse zu tun.« Es sei sinnvoller, sich gegen die sich ausbreitenden Spielhallen zu wenden. Weilacher hat sich nun in einem offenen Brief an die Kübel-Leute gewendet, gestern wollte er ihn bei 'Interim‘ und auch beim AL-'Stachel‘ abgeben. Unter seinen Gästen seien auch Studenten und Taxifahrer, heißt es dort. Das Restaurant liege am Rand von SO 36, halb im Gewerbegebiet und treibe die Mieten dort nicht hoch. »Wer macht schon am Arsch der Welt einen derartigen Laden auf?« kotte
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