: Revision des Theissen-Prozesses
Berlin (ap/taz) — Vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe beginnt am kommenden Dienstag die Revisionsverhandlung zum Memminger Urteil gegen Horst Theissen. Der Frauenarzt war am 5. Mai 1989 vom Landgericht Memmingen wegen illegaler Abtreibung in 36 Fällen zu zweieinhalb Jahren Haft und drei Jahren Berufsverbot verurteilt worden. Sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft hatten Rechtsmittel dagegen eingelegt. Das Memminger Mammutverfahren, der größte Abtreibungsprozeß der bundesdeutschen Rechtsgeschichte, hatte als „Hexenprozeß“ Aufsehen erregt und heftigen Protest hervorgerufen. So waren 79 Frauen, teils unter Androhung von Beugehaft, in den Zeuginnenstand gezwungen worden, wo sie die Gründe für ihren Schwangerschaftsabbruch hatten darlegen müssen. Mehr als 150 Fauen und rund 60 Männer hatten Strafbefehle zwischen 700 und 3.200 Mark wegen illegaler Abtreibung beziehungseise Beihilfe erhalten. Am 22. Oktober wird der BGH zunächst nur darüber verhandeln, ob die Memminger Strafkammer richtig besetzt war, als sie mehrere Befangenheitsanträge gegen einzelne Richter als unbegründet zurückwies. Sieben Richter hatten sich gegenseitig ihre Unbefangenheit bescheinigt, obwohl einige von ihnen zuvor selbst — vergeblich — abgelehnt worden waren. Dieses „Befangenheitskarussell“ war von der Verteidigung als ungesetzlich gerügt worden. Die eigentlichen Sachfragen will der erste Strafsenat des BGH erst am 26. November erörtern. Anläßlich der beginnenden Revisionsverhandlung rufen die bundesweite Koordination gegen den Paragraph 218, das Bündnis „Frauen begehren Selbstbestimmung“ und der Unabhängige Frauenverband (UFV) am 19. Oktober unter dem Motto „Wut allein genügt nicht“ in Karlsruhe zu einer bundesweiten Demonstration auf. Ihre Forderungen: Für die ersatzlose Streichung des Paragraphen218, weder Fristen noch Zwangsberatung, Freispruch für Dr.Theissen. uhe
Demo am 19.10, Treffpunkt: Uni Karlsruhe, Studentenhaus/Adenauerring, Beginn: 11Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen