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Geheimnisse in großer Gefahr

■ Datenschützer warnt: Telefongeheimnis bedroht — Verbindungen und Nummern werden gespeichert

Sie ahnen es vielleicht nicht, aber Ihre Geheimnisse sind in großer Gefahr! Denn seit dem 1.7. speichert die Bundespost-Firma Telekom, wer wann wie lange von wo mit wem telefoniert hat. Und Telekom bewahrt diese Informationen rund ein Vierteljahr auf. Das hat Folgen!, warnte gestern in einer Presse-Erklärung Bremens Datenschützer Sven Holst. Aktueller Anlaß: Nachdem die Datenschutzverordnung für die Bundespost schon in Kraft ist, wird augenblicklich die gleiche Misere für die privaten Telefonfirmen beraten und mutmaßlich, aus Wettbewerbsgründen, auch vergleichbar beschlossen.

Auch wenn nicht der Gesprächsinhalt, sondern nur die Verbindung gespeichert wird, legt das in vielen Fällen Planungen, Aufenthalte, Probleme der Anrufer bloß: Wer ruft bei der Aids-Hilfe an, bei der Telefonseelsorge? Wer bei der Krebsnachsorge? Wer braucht den Rat der Erziehungsberatung? Wer telefoniert mit einer Schwulen-Bar? Wer ruft manchmal eine gute Freundin an und möchte trotzdem nicht, daß diese Nr. in der Monatsabrechnung an die Familie erscheint? Wer wollte der Polizei einen Tip geben?

„Wirtschaftliche Interessen werden bei der Verordnung einseitig berücksichtigt, aber das Recht der einzelnen auf ungestörten und unbeobachteten Austausch von Gedanken, Ideen und Problemen“ nicht genug berücksichtigt, kritisiert Holst und weiß sich darin mit allen Datenschützern einig. Kirchen, Gewerkschaften, Ärzte, Sozialverbände seien in die Verordnungs-Planungen nicht hinreichend einbezogen worden.

Ein anonymer Anruf bei der Polizei, so Holst, ist künftig nicht mehr sichergestellt, wenn sich die neue ISDN-Technik auch bei den Geräten mit Display-Anzeige durchgesetzt hat. Denn die Hersteller bieten nur die ultimative Wahl zwischen Geräten, die dem Angerufenen die Nummer des Anrufers anzeigen, oder die generelle Nichtanzeige. Nur auf Antrag — und wer stellt den schon — wird ein kleiner Kreis von Seelsorgern, Ärzten, Rechtsanwälten von der automatischen Rufnummernanzeige ausgenommen.

Besonders perfide Möglichkeiten eröffnen sich im Umgang mit unliebsamen Anrufern. Denn schon vor dem Abnehmen, beim Klingeln erscheint die Nr. des Anrufers im Display. Das hat aber nicht nur auf ungeliebte Schwiegerväter Auswirkungen. Denkbar: Wenn z.B. im Sozialamt jemand als „lästig“, als „Querulant“ eingeschätzt ist, kann der Sachbearbeiter ihn einfach telefonisch ignorieren und Abwesenheit vortäuschen.

Und es kommt noch schlimmer: sogar wenn der Angerufene gar nicht zu Hause ist, kann er alle Rufnummern der Anrufer auf Drucker oder Computer speichern und für andere Zwecke und Dateien nutzen.

Alle sollten gut überlegen, ob sie künftig im Telefonbuch eingetragen werden wollen, empfiehlt der Datenschützer. Denn diese Verzeichnisse werden künftig elektronisch auswertbar, wie bei einer CD, erstellt und bundesweit jedermann angeboten. S.P.

Der Datenschutzbeauftragte ist bereit, die Bremer BürgerInnen auch in Einzelfällen zu beraten: Tel. 0471-20661.

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