: Streit um Bonner Asylkompromiß
■ Länder können sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen/ CDU/CSU beharrt auf Grundgesetzänderung/ UNO-Kommissar: Schäuble-Vorschlag widerspricht Genfer Konvention
Bonn (taz/dpa) — Der sogenannte Asylkompromiß ist aller Wahrscheinlichkeit nach gescheitert. Bis kurz vor Ende ihrer Sondersitzung gestern in Bonn konnten sich die Innen- und Justizminister der Bundesländer nicht auf ein gemeinsames Papier einigen, das Zielvorstellungen über die künftige Asylpolitik festlegt. So bestanden die Minister Bayerns, Baden-Württembergs und Mecklenburg-Vorpommerns darauf, das einem gemeinsam erarbeiteten Papier noch eine „Protokollerklärung“ beizufügen sei, in der diese drei Länder bekräftigen daß sie eine Änderung des Asylartikels 16 im Grundgesetz trotz der angepeilten Beschleunigungen des Asylverfahrens für erforderlich halten. Bis Redaktionsschluß waren die SPD-regierten Länder damit nicht einverstanden. „Das verwässert die ganze Sache doch. Da machen wir nicht mit“, sagte einer der teilnehmenden Sozialdemokraten kurz vor der letzten Verhandlungsrunde zu einigen Journalisten. Erst Ende vergangener Woche hatten sich in Bonn CDU/ CSU, FDP und SPD darauf geeinigt, die Asylverfahren drastisch zu verkürzen. Allerdings hatte Innenminister Schäuble bereits einen Tag nach den Verhandlungen Vorschläge für eine Grundgesetzänderung präsentiert.
Die unter anderem von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) angestrebte Abweisung von Ausländern aus bestimmten Ländern an den deutschen Grenzen widerspricht nach Ansicht des Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Erstellung einer Liste von „Nichtverfolgerstaaten“, deren Bürgern ohne weitere Prüfung ein Asylrecht verwehrt werden solle, käme einem „geographischen Vorbehalt“ gleich, erklärte der Bonner Vertreter des Flüchtlingskommissars, Walter Koisser, am Donnerstag.
Dies verstoße gegen die von der Bundesrepublik unterzeichnete Flüchtlingskonvention und gegen zahlreiche weitere internationale Abkommen, die sich auf die Konvention beziehen. Als Beispiel nannte Koisser das Schengener Abkommen zur Abschaffung der Grenzkontrollen zwischen mehreren europäischen Staaten. Der Vertreter des Flüchtlingskommissars bekräftigte seine Unterstützung für eine Beschleunigung des Asylverfahrens bei offensichtlich unbegründeten Anträgen. Er bedauere allerdings den in der Öffentlichkeit vorherrschenden Eindruck, „die Qualität eines Asylverfahrens sei ausschließlich daran zu messen, wie rasch Abschiebungen vollzogen werden könnten“.
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