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Aktion Sorgenkind besiegt Rote Armee

■ Liebling Kreuzberg zersägt Kriegsdenkmal für einen guten Zweck

„Nicht so lächeln. Das sieht vor einem Panzer nicht so gut aus.“ Der Profi in der Mitten gibt Herrn und Frau Brilmayer Regieanweisung, ehe die Blitzlichter der Fotographen über sie gewittern. Der Mann in der Mitte, ein echter Profi, ist für ein paar tausend Mark in eine Fabrikhalle in Bremen-Arsten gekommen, um im Auftrag von Herrn und Frau Brilmayer einen Panzer zu zerlegen. Und was für einen: Nicht nur 34 Tonnen olivgrün gestrichener Stahl mit Kette und Kanonenrohr, sondern ein Denkmal, ein Wahrzeichen einer glorreichen Epoche, der Epoche der siegreichen Roten Armee.

Die Oldies gibt es zur Zeit in der Ex-DDR im Dutzend billiger, und dort haben auch Brilmayers ihren erstanden, und zwar in Neubrandenburg. Dortselbst wurde der Panzer kürzlich unter dem lauten Jubel der Bevölkerung abgeholt, erzählen Brilmayers.

Und wo wäre ein solcher Panzer besser aufgehoben als bei Brilmayers? Definitiv nirgendwo. Denn Brilmayers betreiben eine expandierende Schweißgeräte-Großhandlung. Und mit diesen Schweißgeräten soll sich Deutschlands berühmteste Halbglatze, der beliebteste Verkehrsrowdy, Bierkenner und Frauenliebling Manfred Krug an dem Panzer vergehen. Damit an der an und für sich schon guten Nummer „Sowjetpanzer meets deutsches Markenschweißgerät, starring Manfred Krug“, ein richtiger Public-Relation-Hit wird, fehlt? Richtig: Die gute Tat. Und die hat das ZDF in Form von Aufklebern und Kamerateam mitgebracht. „Aktion Sorgenkind“ prangt auf dem Panzer. Und als hieße das Motto „Panzer zu Rollstühlen“ sind die zahlreich erschienen Gäste aus der Schweißgeräte-Branche aufgefordert, Teile des Kriegsveteranen zu ersteigern. „Eine durch Schweißtechnik mögliche Abrüstung“, wie Krug klug zusammenfaßte.

Nachdem die Mini-Talk-Show mit Frau Brilmayer endlich vorbei ist (Krug: „Frau Brilmayer, darf ich Sie mal was Intimes fragen? Wieviel Artikel versenden Sie täglich?“), nachdem das kalte Buffet geplündert ist, geht es ans Versteigern. Mit einem Hunderter kann sich die Schweißgeräte- Branche ein handtellergroßes, krugsigniertes Bröckchen des Panzers erstehen. Ob Brilmayers Schweißtechnik allerdings auch mit dem Kanonenrohr fertig werden würde, war bis Redaktionsschluß offen geblieben.

Mit der anscheinend guten Laune, die Liebling Krug zur Schau stellte, war es aber vorbei, als Reporter nach dem mutmaßlichen Grund für seine gute Stimmung fragten. „Soll ich Euch meinen Gehaltsausszug in die Kamera halten“, donnerte er ein Fernsehteam an, als die nach der Gage fragten. Und ein Photograph kam wenig später nur knapp an der berühmten Krugschen Streicheleinheit vorbei.

Vielleicht geht es heute wieder besser, denn dann folgt der zweite Teil des ungleichen Kampfes : Aktion Sorgenkind gegen die Rote Armee. Treffpunkt: natürlich bei Brilmayers. hbk

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