Die U-Bahn ist weniger gefährlich als ihr Ruf

■ Kriminalitätsrate in den vergangenen Monaten gesunken/ Problem: subjektives Unsicherheitsgefühl

Berlin. Berlins U- und S-Bahnen sind sicherer als ihr Ruf. Darauf wiesen gestern mit Nachdruck die Polizei und die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) hin. Man müsse deutlich zwischen objektiver und subjektiver Sicherheit unterscheiden, sagte BVG-Geschäftsleiter Konrad Lorenzen. Das größere Problem als die reale Bedrohung sei das subjektive Gefühl der Fahrgäste. Dem soll künftig verstärkt mit Wachschutz- Streifen begegnet werden. Voraussichtlich ab Dezember sollen 500 zusätzliche ABM-Kräfte als Wachschutz auf Bahnhöfen und in Zügen dem »psychologischen Problem« des Unsicherheitsgefühls begegnen.

Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung sei die Kriminalitätsrate in U- und S-Bahnen in den vergangenen Monaten sogar leicht zurückgegangen, versicherte Landeskriminalpolizeidirektor Wolfgang Schinz. Im Tagesdurchschnitt würden auf Berlins U- und S-Bahn-Strecken 2,5 Raubüberfälle, 1,2 Körperverletzungen und 16 Taschendiebstähle verübt. Damit brauche Berlin den Vergleich mit anderen Großstädten nicht zu scheuen. Bei einer angenommenen Fahrgastzahl von drei Millionen sei die Wahrscheinlichkeit für einen täglichen BVG-Fahrgast, Opfer eines Raubüberfalls zu werden, etwa eins zu einer Million, so Schinz.

Die meisten Taten in U- und S- Bahnen werden zwischen 10 und 22 Uhr verübt. Nach einer Untersuchung der Polizei sind drei Viertel der Täter zwischen acht und 21 Jahren; der gleichen Altersgruppe entstammen auch drei von vier Opfern. »Alte Frauen können also beruhigt wieder in die U-Bahn steigen«, so Schinz. Konkrete Angaben, wie viele ältere Frauen überhaupt noch U-Bahn fahren und potentiell überfallen werden können, machte Schinz nicht. Stattdessen bat er um Toleranz für Berlins Jugendliche. Sogar ganz »erschreckend und furchterregend aussehende« Punks würden zuweilen älteren Damen aus dem Bus helfen und seien nicht unbedingt gleich gewalttätig, beruhigte er die Gemüter.

Trotzdem solle auch die objektive Sicherheit der Bürger im Bereich der BVG weiter verstärkt werden, teilte Lorenzen mit. So werde intensiv an einer Verbesserung des Alarmierungssystem gearbeitet. Idealtypisch gebe es später auf jedem Bahnhof einen Polizeinotrufmelder. Jetzt sind tagsüber 50 und nach 17 Uhr 100 Streifen unterwegs, um die Sicherheit der Fahrgäste zu garantieren. Drei Viertel von ihnen sind nicht Angestellte der Polizei, sondern des kommerziellen Wachschutzes.

Nicht ausschließen konnte Schinz, »daß in Einzelfällen Fahrgäste verängstigt aussteigen, weil mitten in der Nacht bei einer U-Bahn- Schlägerei kein einziger Polizist zu sichten ist«. Offen blieb auch die Frage der besonderen Gefährdung von Ausländern, Schwulen, Lesben und anderen Gruppen, die potentiell Opfer rechtsextremer Attacken sind. Außerdem, so Lorenzen, sei im Ostteil nach wie vor die Reichsbahn für die S-Bahn-Linien zuständig. Über die dortige Statistik habe man keinerlei Überblick. Positiv äußerte sich Lorenzen zu dem Gedanken, den Bundesgrenzschutz künftig auch wachend im Westteil der Stadt einzusetzen. jgo