: Keine Zeit für Mußestunden
■ „Nimm Dir Zeit“, Samstag, ZDF, 20.15 Uhr
An dieser fernsehtechnisch gesehen „ökumenischen“ Spielshow arbeiteten ARD, ZDF und DFF gemeinsam für die Glücksspirale, deren Erlös dem Erhalt von Baudenkmälern in den neuen Bundesländern zugute kommt. Etwa 300 Milliarden werden benötigt, eine Viertelmilliarde ist bereits eingenommen. Das übertrifft die oberste Schätzung des Lottoblocks um das Dreifache, immerhin ein finanzieller Erfolg.
Nur die Sendung selbst war eine schwere Geburt. Um das seriöse Unterfangen zu stützen, moderiert statt öligem Quizmaster mit langbeiniger Assistentin Gunter Emmerlich, der durch seine DFF-Sendung Showkolade zum Publikumsliebling der ehemaligen DDR avanciert war. Das Konzept war ganz auf Kultur eingeschossen. Da es um den Erhalt von Kulturschätzen geht, konnte man den Kandidaten in der Show als Preise nicht die obligaten Kühlschränke, Mikrowellen oder Videorekorder mit nach Hause geben. Statt dessen wechseln, ganz Kultur, Mußestunden den Besitzer: Zeit für Hobby oder bezahlter Urlaub.
Hierzulande wurde der gemütliche Dicke nach der ersten Sendung am 16. Februar jedoch in den Kritiken noch gnadenloser ausgepfiffen als derzeit Stefan Effenberg von Bayern München. Schon als die Show auf der Pressekonferenz vorgestellt wurde, zeichnete sich ab: ARD und ZDF schienen ganz auf die edlen Werte gesetzt und geglaubt zu haben, die eigentliche Show so nebenher aus dem Boden stampfen zu können. Es wurde da viel über Denkmalschutz und so gut wie gar nichts über den Ablauf der Sendung gesagt. Schüchterne Fragen nach der Gestaltung der eigentlichen Show wurden mit dem Verweis auf die über jeden Zweifel erhabene Persönlichkeit Emmerlichs beantwortet.
Nachdem Nimm Dir Zeit wegen Langeweile am Samstagabend kaum mehr als 20 Prozent Einschaltquote erreichte, kam nun das Aus. „Das Konzept stimmt einfach nicht“, räumt Emmerlich selbst ein. Der ausgebildete Opernsänger mühte sich zwar redlich, das TV-Publikum mit zweitklassigen Kalauern bei Laune zu halten. Uninspiriert erfolgte der Wechsel zwischen Show- und Spielteil. Die Kandidaten selbst spielten nur eine Statistenrolle. „Darf ich ihr einen Kuß geben?“, fragte der Gewinner den Showmaster am Ende. Eine Unterwürfigkeit, die die Steifheit der Sendung augenscheinlich machte.
Symptomatisch klaffte die Nahtstelle zwischen seriöser Gesangsdarbietung und durchgeknalltem Publicity-Gebärden, als Emmerlich mit der notorisch überdrehten Nina Hagen auf dem Seidenbett zum Duett anhub. Eine schmerzliche Kombination. Gunter Emmerlich ist zwar tatsächlich ein Multitalent. Doch aalglattem Smalltalk mit exzentrischen Schauspielern wie Klaus Maria Brandauer ist er einfach nicht gewachsen. Eine kleinere, auf ihn zugeschnittene Sendung hätte dem Showmaster vielleicht besser getan. Klaus Heidenfels
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