: Endlich Licht in das Dunkel?
■ betr.: "Der letzte Afrikaner in Hoyerswerda", taz vom 12.10.91
betr.: „Der letzte Afrikaner in Hoyerswerda“, taz vom 12.10.91
Gerade in diesen Zeiten, wo rassistische Diskriminierung und Gewalt wieder Hochkonjunktur haben, geht doch nichts über eine differenzierte und vorurteilsfreie Berichterstattung!
Annette Rogalla ist es mit ihrem Artikel nicht nur gelungen, endlich Licht in das Dunkel um die Ursachen der Geschehnisse in Hoyerswerda zu bringen, sondern jetzt versteht man auch das Verhalten der applaudierenden Bevölkerung viel besser.
Für jeden, der die Geschehnisse in Hoyerswerda auch nur entfernt mitbekommen hat, schien bisher die Reaktion der Afrikaner, die zu ihrer Verteidigung die Straße mit Mülltonnen absperrten und nicht länger in einer passiven Opferrolle verharren wollten, sondern kämpfen wollten, verständlich und nachvollziehbar. Aber, wir hatten ja keine Ahnung, daß jene Asylbewerber „nachts ihre Musik aufdrehten und tagsüber Palaver hielten“ und die gutdeutschen Werktätigen um ihre wohlverdiente Ruhe brachten. Nicht genug dessen, gingen sie sogar zu offener Randale über, so daß es schließlich eines Ernesto Melice bedurfte, der ihnen sagte: „Du kannst in deiner Heimat nicht mehr leben. Aber wer gibt dir das Recht, hier aufzutreten wie ein King?“ Gott sei Dank, hat die mal wieder jemand daran erinnert, wo sie herkommen und wer sie sind!
Eigentlich waren wir ja der Auffassung, es handele sich um eines der übelsten Vorurteile, daß Schwarze die Musik und den Rhythmus „im Blut“ haben, den ganzen Tag lachen, singen, tanzen und trommeln und vor Erotik nur so strotzen. Doch, da steht's geschrieben: „In der Disco zeigten sie ungeniert ihren Spaß am Leben, sie tanzten und flirteten. Soviel Rhythmus und Körpersprache lassen weiße Männer nachgerade lahm und flügellos auf dem Parkett wirken. Mit rollenden Hüften und geschmeidigen Bewegungen wiegt sich mancher auf dem Thron des Wochenendkönigs.“ Nicht genug, daß schwarze Männer wieder die Potenzängste des weißen Mannes heraufbeschwören, da nehmen sie sich auch noch die weißen Frauen beziehungsweise werden von ihnen genommen, oder wie jetzt?
Bei soviel positiver Beschwörung der schwarzen Manneskraft schien uns die Überleitung zum Thema Vergewaltigung erst etwas unverständlich, zielt aber wahrscheinlich darauf ab, daß tatsächlich ein Zusammenhang besteht zwischen den Afrikanern in Hoyerswerda und den Vergewaltigungen in Hoyerswerda. Immerhin wird uns trotz der Tatsache, daß sich nicht sagen läßt, wie häufig deutsche Männer nicht angezeigt wurden, auch nicht die Information vorenthalten, daß in den letzten fünf Jahren zwei von drei ausgewiesenen Afrikanern, also sage und schreibe zwei Drittel(!), wegen Vergewaltigung ausgewiesen wurden.
Auch hierfür erfahren wir den wahren Grund: „Die weiße Frau ist auch für schwarze Männer das Objekt der Begierde.“ Und wie selbst Ernesto bekennt, scheint dies wohl der Hauptgrund dafür zu sein, warum die hierherkommen.
Besonders gelungen fanden wir die sprachliche Formulierung: „Ernesto lacht sich scheckig.“ Ihr Humor, Frau Rogalla, hat's wirklich in sich — oder war Ihnen das am Ende nur so rausgerutscht, und sie wollten damit gar nichts besonderes sagen? Wie dem auch sei, wir haben's verstanden.
In Ihrer unbändigen Begeisterung für Klischees, gelingt es Ihnen in Ihrer abschließenden Feststellung dann auch nicht mehr, die Dinge getrennt zu halten: „Ob ihres Geschäftssinns oder ob ihrer fremden Erotik — in Hoyerswerda werden Ausländer in diesen Wochen offen gehaßt“. Frau Rogalla, die mit dem „Geschäftssinn“ waren schon immer die Juden, die Schwarzen sind doch diejenigen, die's mehr zwischen den Beinen als im Kopf haben!
Jedenfalls werden uns damit zwei äußerst schlüssige Möglichkeiten für die Ursachen von Rassismus geboten. Wer auftritt wie ein King, nur hinter weißen Frauen her ist und dann die werktätige Bevölkerung auch noch mit Devisen übers Ohr haut, braucht sich offensichtlich wirklich nicht zu wundern, wenn er aus der Stadt vertrieben wird. Selbst Schuld! — ist es das, was Annette Rogalla uns rüberbringen wollte? Es ist ihr jedenfalls hervorragend gelungen...
Liebe taz, was Ihr Euch mit diesem Artikel geliefert habt, ist einfach erbärmlich. Claudia Fickert,
Bettina Querfurth,
Frankfurt am Main
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