AOK erhöht die Beiträge für 1992

■ IG Metall warnt Union vor weiterem Sozialabbau/ SPD fordert freie Kassenwahl für alle

Bonn (afp) — Die Beiträge der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) werden vom nächsten Jahr an voraussichtlich steigen. Der Hauptgeschäftsführer des AOK-Bundesverbandes, Franz-Josef Oldiges, sagte am Montag im Saarländischen Rundfunk, wenn der Ausgabenanstieg so bleibe, wie er sich im Moment abzeichne, sei im Verlauf des Jahres 1992 mit den ersten Beitragssatzerhöhungen zweifellos zu rechnen. Die Finanzierungslücke der Krankenversicherung sei von den Kassen in diesem Jahr durch Rücklagen ausgeglichen worden. 1992 sei dies aber nicht mehr möglich.

Angesichts des drohenden Defizits in der Krankenversicherung zeigte sich Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) mit Gesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt (CSU) einig, daß bald die „richtigen Schritte“ eingeleitet werden müßten, um die Kostenlawine zu stoppen und Beitragserhöhungen zu vermeiden. Der FDP-Politiker plädierte für mehr marktwirtschaftliche Steuerungselemente zur Kostensenkung im Gesundheitswesen. Der SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler erklärte, auch die Gesundheitsministerin könne sich nicht länger vor der Tatsache verstecken, daß „die sogenannte Gesundheitsreform gescheitert ist“. Alle Änderungen seien nur „Reparatur der Reparatur“.

Der Umfang der Beitragssatzerhöhungen könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden, sagte Oldiges. Dieser hänge auch von den künftigen Pflegesätzen sowie den Honorarverhandlungen mit Ärzten und Zahnärzten ab. Oldiges warf den Ärzten vor, zuviel zu verschreiben und „nicht nötige“ Leistungen zu erbringen. Dies müsse geändert werden. Eine weitere Belastung von etwa zwei Milliarden Mark machten die zur Zeit diskutierten familienpolitischen Leistungen aus, wie die Pille auf Krankenschein und die Verdoppelung des Erziehungsurlaubs. Sollten diese Kosten nicht vom Bundeshaushalt übernommen werden, führen sie nach Ansicht Oldiges ebenfalls zu höheren Beiträgen. Hasselfeldt hatte am Wochenende auf ein Defizit von über zehn Milliarden Mark hingewiesen, das den Krankenkassen im nächsten Jahr drohe. Die Ministerin sprach von einer Beitragssatzerhöhung von 0,5 Prozent jährlich.

Die Sozialdemokraten wollen nach den Worten Dreßlers eine Gesundheitsreform, die „fehlerhafte Strukturen“ überwindet, statt bei den Patienten abzukassieren. Freie Wahl der Krankenkassen für alle, mehr Rechte für die Krankenversicherung, Neuordnung und Bereinigung des Arzneimittelmarktes durch ein unabhängiges Arzneimittelinstitut und die Zusammenstellung einer Liste verordnungsfähiger Präsparate seien die vordringlichen Ziele. Die IG Metall warnte die Unionsparteien davor, „die Systeme der sozialen Sicherheit in Deutschland weiter zu demontieren“.